Cryptonomicon
von Pontifex erzählen, aber sie sind ganz in der Nähe des halal Dunkin’ Donuts, und die Leute schauen zu ihnen herüber. Man kann nicht sagen, wer ihnen womöglich zuhört. »Ich erzähl’s dir später.«
Cantrell wirkt für einen Augenblick verwirrt, doch dann grinst er durchtrieben. »Sehr witzig.«
»Haben wir ein Auto?«
»Ich habe mir Toms Auto ausgeliehen. Seinen Humvee. Keins von diesen gemütlichen Zivilmodellen. Ein richtiges Militärfahrzeug.«
»Spitze!«, sagt Randy. »Komplett mit großem Maschinengewehr hinten drauf?«
»Er hat sich’s überlegt – in Kinakuta hätte er sicher eine Lizenz dafür bekommen können -, aber seine Frau hatte schon genug mit einem echten schweren Maschinengewehr in ihrem Haus.«
»Und du? Wie stehst du zu diesem ganzen Waffenzeug?«
»Wie du weißt, besitze ich welche und kann auch damit umgehen«, sagt Cantrell.
Gerade veranstalten sie einen Spießrutenlauf durch mehrere Duty-Free-Shops, um nicht zu sagen eine ganze Duty-Free-Shop-Meile. Randy kann sich nicht vorstellen, wer letztlich all diese Riesenschnapsflaschen und teuren Gürtel kauft. Was für ein oberflächlich orgiastischer Lebensstil entspricht wohl diesem speziellen Warenangebot?
Während der darüber vergangenen Zeit hat Cantrell offensichtlich beschlossen, dass Randys Waffenfrage eine etwas genauere Antwort verdient. »Aber je mehr ich damit geübt habe, umso ängstlicher bin ich geworden. Oder vielleicht auch deprimiert.«
»Was willst du damit sagen?« Das ist Randy in einem ganz ungewohnten Register, wie er Cantrells Gefühlen psychotherapeutisch auf die Sprünge hilft. Für John Cantrell muss es ein verrückter Tag gewesen sein und er hat sicherlich Gefühle, die man ansprechen muss.
»Eins von diesen Dingern in der Hand zu halten, den Lauf zu reinigen und die Patronen in Magazine zu stecken konfrontiert einen wirklich damit, was für einen verzweifelten allerletzten Ausweg sie im Grund darstellen. Ich meine, wenn wir an dem Punkt angelangt sind, wo wir auf Leute schießen und umgekehrt, dann haben wir alles komplett vermasselt. Im Grunde haben sie also mein Interesse, dafür zu sorgen, dass wir ohne sie auskommen, nur verstärkt.«
»Deswegen auch die Krypta?« fragt Randy.
»Meine Beteiligung an der Krypta ist wohl die direkte Folge einiger sehr schlimmer Träume über Waffen, die ich hatte.«
Es tut unglaublich gut, sich so zu unterhalten, ist aber eine unheilvolle Abkehr von dem normalen rein technischen Inhalt ihrer Gespräche. Sie fragen sich, ob es überhaupt der Mühe wert ist, sich in Gespräche über solche Themen verwickeln zu lassen. Sorglose Sicherheit ist zweifellos einfacher.
»Und was ist mit den Heimlichen Bewunderern, die vor dem Büro von Ordo herumgehangen haben?«, fragt Randy.
»Was ist mit ihnen? Fragst du nach ihrem Geisteszustand?«
»Ja. Genau darüber sprechen wir gerade. Geisteszustände.«
Cantrell zuckt die Schultern. »Ich weiß nicht, wer sie im Einzelnen waren. Ich nehme an, es gab einen oder zwei wirklich üble Fanatiker darunter. Nimmt man sie einmal beiseite, ist vielleicht ein Drittel von ihnen einfach noch zu jung und unreif, um zu verstehen, was da vor sich geht. Für sie war es nichts weiter als ein Jux. Die anderen zwei Drittel hatten wahrscheinlich feuchte Hände.«
»Sie sahen aus, als versuchten sie unter größten Mühen, eine fröhliche Miene zu wahren.«
»Sie waren bestimmt froh, da wegzukommen und sich hinterher in einen kühlen dunklen Raum zu setzen und Bier zu trinken. Wahrscheinlich haben viele von ihnen mir seitdem E-Mails über die Krypta geschickt.«
»Du meinst, als Alternative zu gewaltsamem Widerstand gegen die Regierung der Vereinigten Staaten, vermute und hoffe ich.«
»Klar. Sicher. Ich meine, genau das wird sie doch sein, die Krypta, oder?«
Die Frage klingt in Randys Ohren etwas missmutig. »Ja, das wird sie«, antwortet er. Er fragt sich, warum er sich mit diesen Dingen viel wohler fühlt als John Cantrell, und dann fällt ihm wieder ein, dass er nichts mehr zu verlieren hat.
Randy atmet ein letztes Mal die maschinengekühlte, trockene Luft ein und hält sie zur Erfrischung in seinen Lungen fest, während sie in die Abendhitze hinaustreten. Er hat gelernt, das Klima gelassen zu nehmen; man kann ohnehin nicht dagegen ankämpfen. Eine summende, zum Stillstand gekommene Reihe schwarzer Mercedes-Benz wartet darauf, die Fluggäste der Sultan- und Wesirklasse aufzunehmen. Von den Passagieren der Wallahklasse steigen nur
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