Cryptonomicon

sehr wenige in Kinakuta aus; die meisten von ihnen sind auf der Durchreise nach Indien. Da dies hier ein Ort ist, an dem alles einfach perfekt funktioniert, sitzen Randy und John nach ungefähr zwanzig Sekunden in dem Humvee und fahren weitere zwanzig Sekunden später mit hundertzwanzig Stundenkilometern über einen waagerechten Strahl aus gespenstisch blaugrünem Freeway-Licht.
    »Wir gehen davon aus, dass dieser Humvee nicht verwanzt ist«, sagt Cantrell. »Wenn du also mit etwas hinter dem Berg gehalten hast, kannst du jetzt frei sprechen.«
    Randy schreibt: Wir sollten aufhören, von dergleichen Dingen auszugehen auf einen Notizblock und hebt ihn hoch. Cantrell zieht minimal die Augenbrauen hoch, wirkt aber natürlich nicht sonderlich überrascht – schließlich ist er tagaus tagein mit Leuten zusammen, die versuchen, sich in Sachen Paranoia gegenseitig zu übertrumpfen. Randy schreibt: Wurden von ehem. hohen Tier der NSA üb’wacht. Dann fügt er noch hinzu: Arbeitet vermutl. für 1 o. mehrere Krypta-Kunden.
    Woher weißt du das? , formt Cantrell mit den Lippen.
    Randy seufzt und schreibt dann: Bin von einem Zauberer kontaktiert worden.
    Und solange John damit beschäftigt ist, den Wagen um einen Unfall mit Blechschaden auf der linken Fahrspur herum zu lotsen, fügt er hinzu: Betrachte es als Due Diligence Marke Unterwelt.
    Cantrell sagt laut: »Tom hat ziemlich sorgfältig darauf geachtet, dass sein Haus wanzenfrei ist. Ich meine, er hat das Ding von Grund auf selbst gebaut oder bauen lassen.« Er lenkt den Wagen in eine Ausfahrt und taucht in den Dschungel ein.
    »Gut. Dort können wir reden«, sagt Randy, dann schreibt er: Denk an die neue US-Botschaft in Moskau – Wanzen vom KGB in den Zement gemischt – musste abgerissen werden.
    Cantrell schnappt sich den Notizblock und schreibt blind auf dem Armaturenbrett, während er den Humvee über eine kurvige Bergstraße in den Wald aus Wolken hinaufmanövriert: Worüber willst du sprechen, was so geheim ist? Arethusa? Gib mir bitte eine Tagesordnung.
    Randy: (1) Zivilprozess & ob Epiphyte weiter existieren kann. (2) Dass NSA-Mann und der Zauberer existieren. (3) Vielleicht Arethusa.
    Cantrell grinst und schreibt: Habe gute Nachricht betr.:Tombstones /. »/« ist in diesem Zusammenhang das UNIX-Zeichen für das Root Directory des Dateisystems, was im Fall von Tombstone gleichbedeutend ist mit der Festplatte, die Randy zu löschen versucht hat. Randy zieht skeptisch die Augenbrauen hoch und Cantrell grinst, nickt und fährt sich mit dem Daumen quer über die Kehle.
    »Chez Howard« ist ein Betongebäude mit Flachdach, das aus bestimmten Blickwinkeln wie ein sehr großer Abwasserkanal wirkt, der senkrecht in einen schlammigen Erdhügel auf der Spitze eines Vorbergs gesetzt wurde. Ungefähr zehn Minuten, bevor sie tatsächlich ankommen, sehen sie es aus einem dieser Blickwinkel, denn die Straße führt in mehreren Serpentinen über den ausladenden Hang dieses Vorberges, der sich durch das beständige Fließen von Wasser verschachtelt und in Fraktale zergliedert hat. Selbst wenn es hier nicht regnet, sammelt sich die Feuchtigkeit der Brisen vom Südchinesischen Meer auf dem Laub und tröpfelt unablässig von den Spitzen der Blätter herab. Neben dem Regen und den Pflanzen muss hier auch die Erosion eine gewaltige und gefräßige Kraft sein, und Randy fühlt sich angesichts dieser Berge etwas unwohl, denn Berge können in einer solchen Umgebung nur existieren, wenn die darunter wirksamen tektonischen Kräfte die Felsen so schnell nach oben schieben, dass einem, wenn man still stünde, davon die Ohren knacken. Aber da er andererseits gerade ein Haus an ein Erdbeben verloren hat, neigt er natürlich eher zu einer konservativen Sicht.
    Cantrell ist jetzt dabei, ein detailliertes Schaubild zu zeichnen, und hat, um es noch besser hinzukriegen, fast bis zum Stillstand abgebremst. Es beginnt mit einem großen Rechteck. Dahinein zeichnet er ein Parallelogramm von derselben Größe, aber etwas nach unten verdreht und mit einem kleinen Kreis in der Mitte einer Kante. Randy wird klar, dass er auf die perspektivische Ansicht eines Türrahmens mit leicht angelehnter Tür schaut, wobei der kleine Kreis den Türgriff darstellt. STAHLRAHMEN schreibt Cantrell, hohle Metallröhren. Rasches gewundenes Gekritzel deutet die sie umgebende Wand und den Fußboden darunter an. Dort wo die Türpfosten im Boden versenkt sind, malt Cantrell sorgfältig kleine perspektivische Kreise. Löcher im