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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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über TCP/IP, das Standard-Kommunikationsprotokoll des Internet, gekauft und sie gelesen hat. Dann habe ich mir einen Computer besorgt, was heutzutage jeder tun kann, habe einige Jahre damit herumgespielt und jetzt weiß ich alles darüber. Macht mich das zum Technokraten?«
    »Schon lange, bevor Sie diese Bücher zur Hand nahmen, haben Sie zu einer technokratischen Elite gehört«, sagte Kivistik. »Die Fähigkeit, sich durch einen technischen Text hindurchzukämpfen und ihn zu verstehen, ist ein Privileg. Und dieses Privileg beruht auf einer Art von Bildung, die nur den Angehörigen einer Eliteklasse zugänglich ist. Das meine ich mit Technokrat.«
    »Ich bin auf eine öffentliche Schule gegangen«, sagte Randy. »Und dann auf eine staatliche Universität. Den Rest habe ich mir selbst beigebracht.«
    Charlene schaltete sich ein. Sie hatte Randy die ganze Zeit böse Blicke zugeworfen, die er einfach ignoriert hatte. Das würde er jetzt büßen. »Und deine Familie?«, fragte sie mit eisiger Stimme.
    Randy holte tief Luft, verkniff sich aber einen Seufzer. »Mein Vater ist Ingenieur. Er unterrichtet an einem staatlichen College.«
    »Und sein Vater?«
    »Mathematiker.«
    Charlene zog die Augenbrauen hoch. Und mit ihr fast die ganze Tischrunde. Fall erledigt.
    »Ich wehre mich energisch dagegen, als Technokrat abgestempelt, in die Technokratenschublade gesteckt oder ins Technokratenklischee gepresst zu werden«, sagte Randy, wobei er ganz bewusst die Sprache eines Unterdrückten benutzte, vielleicht als Versuch, sie mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, aber wohl eher (denkt er morgens um drei in seinem Bett im Manila Hotel) aus dem unkontrollierbaren Drang heraus, sich als Arschloch zu gebärden. Manche von ihnen bedachten ihn aus reiner Gewohnheit mit einem sachlich-nüchternen Blick; die Etikette gebot, dass man den Unterdrückten seine ganze Sympathie schenkte. Andere keuchten vor Empörung darüber, dass diese Worte aus dem Mund eines bekannten und überzeugten weißen männlichen Technokraten kamen. »In meiner Familie hat nie jemand viel Geld oder Macht besessen«, fügte Randy hinzu.
    »Ich glaube, worauf Charlene hinaus will, ist Folgendes«, sagte Tomas, einer ihrer Hausgäste, der mit seiner Frau Nina aus Prag hergeflogen war. Er hatte sich selbst zum Vermittler ernannt. Und hielt lange genug inne, um einen tiefen Blick mit Charlene zu wechseln. »Aufgrund der bloßen Tatsache, dass Sie aus einer Wissenschaftlerfamilie stammen, gehören Sie zu einer privilegierten Oberschicht. Dessen sind Sie sich nicht bewusst – aber Angehörige privilegierter Klassen sind sich ihrer Privilegien selten bewusst.«
    Randy vollendete den Gedankengang. »Bis Leute wie ihr daherkommen, um uns zu erklären, wie dumm, um nicht zu sagen moralisch bankrott wir sind.«
    »Das falsche Bewusstsein, von dem Tomas spricht, ist genau das, wodurch etablierte Machteliten so etabliert sind«, erklärte Charlene.
    »Also, ich fühle mich nicht besonders etabliert«, sagte Randy. »Ich habe mir den Arsch aufgerissen, um dahin zu kommen, wo ich heute bin.«
    »Eine Menge Leute arbeiten ihr ganzes Leben hart und kommen nirgendwohin«, sagte jemand in anklagendem Ton. Schau an! Jetzt kamen die Schüsse aus dem Hinterhalt!
    »Tut mir wirklich leid, dass ich nicht so anständig war, es zu nichts zu bringen«, erwiderte Randy und fühlte sich dabei zum ersten Mal ein bisschen angesäuert, »aber ich habe festgestellt, dass man, wenn man hart arbeitet, sich weiterbildet und einen klaren Kopf behält, seinen Weg in der Gesellschaft gehen kann.«
    »Klingt wie die Geschichte vom fleißigen Lehrling, der sich zum Generaldirektor hocharbeitet«, blaffte Tomas.
    »Ja? Nur weil der Gedanke alt ist, muss er ja nicht falsch sein«, konterte Randy.
    Um den Tisch herum hatte sich eine kleine Eingreiftruppe aus Kellnern formiert; die Arme mit Tellern beladen, standen sie in ständigem Blickkontakt miteinander, während sie versuchten zu entscheiden, wann es angebracht wäre, den Kampf zu unterbrechen und das Abendessen zu servieren. Einer von ihnen belohnte Randy mit einer Platte, auf der dicke Scheiben nahezu rohen Thunfischs zu einem Wigwam drapiert waren. Die Pro-Konsens-Anti-Konfrontationselemente rissen die Unterhaltung an sich und bildeten kleine Gesprächsgruppen aus Leuten, die sich jeweils völlig einig waren. Jon warf Randy einen leicht getrübten Blick zu, so als wollte er sagen, war es für dich auch gut? Charlene ignorierte ihn vollkommen; sie

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