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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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versenken.
    Hinter ihnen verschwindet Manila in der Dunkelheit. Das Bewusstsein, dass er Glory seit jener Nacht nicht mehr gesehen hat, gleicht einem langsam drehenden, heiß gelaufenen Zahnarztbohrer. Er fragt sich, wie es ihr geht. Vielleicht kriegt er es, sobald sich der Krieg ein wenig beruhigt und die Frontlinien sich verfestigen, irgendwie hin, sich in diese Ecke der Welt versetzen zu lassen. MacArthur ist ein zäher alter Knochen, der sich nach Kräften zur Wehr setzen wird, wenn die Nips kommen. Und selbst wenn die Philippinen fallen, wird FDR sie nicht lange in Feindeshand lassen. Mit etwas Glück wird Bobby Shaftoe, vielleicht mit der einen oder anderen unbedeutenden Kriegsverletzung, binnen sechs Monaten in voller Ausgehuniform hinter einer Musikkapelle die Taft Street von Manila entlangmarschieren. Die Parade wird einen Abschnitt erreichen, in dem die Straße auf etwa anderthalb Kilometern Länge von Altamiras gesäumt ist. Ungefähr in der Mitte dieses Abschnitts wird sich die Menge teilen, und Glory wird hervorstürzen, sich ihm in die Arme werfen und ihn abküssen. Er wird das Mädchen geradewegs die Treppe einer hübschen kleinen Kirche hinauftragen, wo schon mit breitem Lächeln ein Priester in weißer Soutane wartet -
    Das Traumbild löst sich in einem orangefarbenen Feuerpilz auf, der von dem amerikanischen Stützpunkt bei Cavite aufsteigt. Es brennt dort schon die ganze Nacht und soeben ist ein weiteres Treibstofflager hochgegangen. Er kann aus mehreren Kilometern Enfernung die Hitze auf seinem Gesicht spüren. Bobby Shaftoe befindet sich an Deck des Schiffes, in eine Rettungsweste geschnürt, falls sie torpediert werden. Er nutzt das aufflammende Licht, um an einer langen Reihe anderer Marines in Rettungswesten entlangzuschauen, die mit einem Ausdruck der Fassungslosigkeit in den müden, verschwitzten Gesichtern auf die Flammen starren.
    Manila liegt erst eine halbe Stunde hinter ihnen, aber es könnte ebenso gut eine Million Kilometer entfernt sein.
    Er erinnert sich an Nanking und was die Nips dort getan haben. Was mit den Frauen passiert ist.
    Es war einmal vor langer Zeit, da gab es eine Stadt namens Manila. Dort lebte eine junge Frau. Ihr Gesicht und ihren Namen vergisst man am besten. Bobby Shaftoe fängt mit dem Vergessen an, so schnell er kann.

FUSSGÄNGER
    ACHTE DEN FUSSGÄNGER, steht auf den Straßenschildern von Metro Manila. Kaum hatte Randy sie gesehen, wusste er, dass er in Schwierigkeiten war.
    Die ersten paar Wochen, die er in Manila verbrachte, bestand seine Arbeit aus Fußmärschen. Er ging kreuz und quer durch die Stadt, in der Hand einen GPS-Empfänger, der Längen- und Breitengrade aufzeichnete. In seinem Hotelzimmer chiffrierte er das Datenmaterial und schickte es Avi per E-Mail. Es wurde zu einem Teil von Epiphytes geistigem Eigentum. Einer Art Eigenkapital.
    Mittlerweile hatten sie richtige Büroräume angemietet. Die Randy hartnäckig zu Fuß aufsucht. Er weiß, dass er, wenn er dort einmal ein Taxi genommen hat, nie wieder zu Fuß gehen wird.
    ACHTE DEN FUSSGÄNGER, steht auf den Schildern, aber die Autofahrer, die geographischen Voraussetzungen, die hiesigen Baugewohnheiten und schon der Grundriss der Stadt wirken so zusammen, dass dem Fußgänger die Verachtung entgegenschlägt, die er mehr als verdient hat. Randy würde mehr Respekt entgegengebracht, wenn er auf einem Springstock mit einem Propellerhütchen auf dem Kopf zur Arbeit hüpfte. Jeden Morgen fragen ihn die Hotelpagen, ob er ein Taxi wolle, und fallen nahezu in Ohnmacht, wenn er nein sagt. Jeden Morgen rufen ihm die Taxifahrer, die rauchend an ihren vor dem Hotel aufgereihten Autos lehnen, »Taxi? Taxi?« zu. Wenn er ablehnt, reißen sie untereinander Witze in Tagalog und brüllen vor Lachen.
    Nur für den Fall, dass Randy es noch immer nicht kapiert hat, schwenkt ein neuer rot-weißer Hubschrauber knapp über dem Rizal Park ein, dreht sich ein- oder zweimal wie ein Hund, der sich hinlegen will, und landet nicht weit von ein paar Palmen entfernt direkt vor dem Hotel.
    Randy hat sich angewöhnt, auf dem Weg nach Intramuros eine Abkürzung durch den Rizal Park zu nehmen. Der direkte Weg ist es allerdings nicht. Der führt durch ein Niemandsland, über eine riesige, gefährliche Straßenkreuzung, die von den Hütten illegaler Siedler gesäumt wird (und wegen der Autos gefährlich ist, nicht wegen der illegalen Siedler). Geht man dagegen durch den Park, muss man nur jede Menge Huren abwimmeln. Aber darin ist

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