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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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großmütig – er scheute sich nicht, seine Thesen für Leute wie Jon vereinfacht darzustellen. »Wie viele Zufahrten werden wohl die Ghettos der Welt mit der Superdatenautobahn verbinden?«
    Ja, das ist viel klarer, schienen alle zu denken. Gut gekontert, Geb! Niemand beachtete Jon, diesen streitsüchtigen Paria. Der warf Randy einen hilfesuchenden Blick zu.
    Jon war ein Hobbit, der erst vor kurzem das Auenland verlassen hatte und deshalb wusste, dass Randy ein Zwerg war. Jetzt war er dabei, Randys Leben zu versauen, indem er ihn aufforderte, auf den Tisch zu springen, seinen selbst gesponnenen Umhang von sich zu werfen und seine zweihändige Axt zu schwingen.
    Die Worte kamen aus Randys Mund, noch bevor er sich eines Besseren besinnen konnte. »Die Superdatenautobahn ist doch nur eine Scheißmetapher, mein Gott!«, sagte er.
    Während die ganze Tischrunde wie ein Mann zusammenzuckte, trat völlige Stille ein. Jetzt war der harmonische Abend endgültig und offiziell im Eimer. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als sich zusammenzukauern, den Kopf zwischen die Knie zu klemmen und darauf zu warten, dass das Wrack zum Stillstand käme.
    »Das sagt mir nicht viel«, erwiderte Kivistik. »Alles ist eine Metapher. Das Wort ›Gabel‹ ist eine Metapher für diesen Gegenstand.« Dabei hielt er eine Gabel hoch. »Jeder Diskurs besteht aus Metaphern.«
    »Das ist aber kein Grund, schlechte Metaphern zu verwenden«, gab Randy zurück.
    »Schlecht? Schlecht? Wer entscheidet denn, was schlecht ist?«, sagte Kivistik, wobei er den urkomischen Ausdruck eines durch den Mund atmenden Studenten mit Schlafzimmerblick aufsetzte. Hier und da kicherten einige, verzweifelt bemüht, die Spannung zu lösen.
    Randy war klar, wohin das führte. Kivistik hatte den üblichenTrumpf der Akademiker aus dem Ärmel gezogen: Alles ist relativ, es kommt nur auf die Perspektive an. In der Annahme, der Streit sei beendet, hatten manche ihre kleinen Privatgespräche schon wieder aufgenommen, als Randy sie alle aufschreckte: »Wer entscheidet, was schlecht ist? Ich .«
    Das brachte sogar Dr. G. E. B. Kivistik durcheinander. Er war sich nicht sicher, ob Randy scherzte. »Wie bitte?«
    Randy ließ sich viel Zeit mit der Antwort. Er nutzte die Gelegenheit, um sich bequem zurückzulehnen, sich zu rekeln und an seinem Wein zu nippen. Das gefiel ihm. »Es ist so«, begann er. »Ich habe Ihr Buch gelesen. Ich habe Sie im Fernsehen gesehen. Ich habe Sie heute Abend gehört. Bei der Zusammenstellung der Presseunterlagen habe ich höchstpersönlich eine Liste Ihrer Referenzen getippt. Ich weiß also, dass Sie nicht qualifiziert sind, sich zu technischen Themen zu äußern.«
    »Oh«, entgegnete Kivistik mit gespielter Bestürzung, »mir war nicht klar, dass man dazu Qualifikationen braucht.«
    »Es ist doch klar«, sagte Randy, »dass meine Meinung, wenn ich von einem bestimmten Fachgebiet keine Ahnung habe, völlig irrelevant ist. Wenn ich krank bin, frage ich nicht einen Klempner um Rat. Ich gehe zu einem Arzt. Genauso werde ich mich, wenn ich Fragen zum Internet habe, an Leute wenden, die sich damit auskennen.«
    »Komisch, alle Technokraten scheinen sich fürs Internet stark zu machen«, sagte Kivistik belustigt und rang der Gruppe damit ein paar weitere Lacher ab.
    »Sie haben gerade eine Behauptung aufgestellt, die nachweisbar falsch ist«, erwiderte Randy einigermaßen freundlich. »Eine Reihe von Internet-Experten haben wohlfundierte Bücher geschrieben, in denen sie es scharf kritisieren.«
    Kivistik platzte langsam der Kragen. Die ganze Leichtigkeit war dahin.
    »Um nun an meinen Ausgangspunkt zurückzukehren«, fuhr Randy fort, »die Superdatenautobahn ist eine schlechte Metapher für das Internet, weil ich das sage. Es gibt vielleicht tausend Menschen auf dem Planeten, die mit dem Internet ebenso vertraut sind wie ich. Die meisten dieser Leute kenne ich. Keiner von ihnen nimmt diese Metapher ernst, quod erat demonstrandum.«
    »Aha.Verstehe«, entgegnete Kivistik ein wenig heftig. Er hatte einen Anknüpfungspunkt entdeckt. »Wir sollen uns also von den Technokraten sagen lassen, was wir von dieser Technologie zu halten und wie wir darüber nachzudenken haben.«
    In den Mienen der anderen war zu lesen, dass dieser großartig ausgeführte Schlag gesessen hatte.
    »Ich weiß nicht genau, was ein Technokrat ist«, sagte Randy. »Bin ich ein Technokrat? Ich bin einfach einer, der runter in die Buchhandlung gegangen ist, sich einen Stapel Lehrbücher

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