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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Ellbogen ragt in die Luft. Ihm fällt auf, dass sie die Haare unter ihrer Achsel bestimmt einen Monat nicht rasiert hat, und dann bemerkt er die Spitze einer Tätowierung, die unter ihrem T-Shirt hervorlugt. »Sie sind doch im Informationsgeschäft, oder?« Sie beobachtet sein Gesicht in der Hoffnung, er möge den Wink verstehen und lachen oder zumindest grinsen. Aber er ist zu sehr in Gedanken, um ihn zu begreifen. Sie schaut weg, jetzt allerdings mit wissender, süffisanter Miene – du verstehst mich nicht, Randy, was absolut typisch ist, aber es macht mir nichts aus. Sie erinnert Randy an mit beiden Beinen auf dem Boden stehende lesbische Arbeiterinnen, die er einmal kannte, Fasergipsplatten montierende Großstadtlesben mit Katzen und Gepäckträgern für Langlaufskier.
    Sie führt ihn in eine klimatisierte Kabine mit vielen Fenstern und einer Kaffeemaschine. Die Täfelung aus unechtem Furnier erinnert an ein spießiges Kellergeschoss, und an den Wänden hängen eingerahmte offizielle Dokumente wie Lizenzen und Zulassungen und vergrößerte Schwarzweißfotos von Menschen und Booten. Es riecht nach Kaffee, Seife und Öl. Neben einem mit Expanderschnüren festgezurrten tragbaren Radio-CD-Player steht ein Schuhkarton mit einigen Dutzend CDs drin, hauptsächlich Alben von amerikanischen Sängerinnen und Songschreiberinnen der unkonventionellen, missverstandenen, hochintelligenten, aber äußerst emotionalen Schule, die reich werden, indem sie ihre Musik Leuten verkaufen, die verstehen, was es heißt, nicht verstanden zu werden. 5 Amy gießt Kaffee in zwei Tassen und stellt sie auf den festgeschraubten Tisch der Kabine, dann kramt sie in den engen Taschen ihrer Jeans, zieht eine wasserdichteNylonbrieftasche heraus und entnimmt ihr zwei Visitenkarten, die sie, eine nach der anderen, über den Tisch zu Randy hinüberschnippt. Das scheint ihr Spaß zu machen – ein kleines privates Lächeln spielt auf ihren Lippen und verschwindet, kaum dass Randy es entdeckt. Die Karten tragen das Logo der Semper Marine Services und den Namen America Shaftoe. »Heißen Sie America?« fragt Randy.
    Amy fürchtet, er wird eine große Geschichte daraus machen, und schaut gelangweilt aus dem Fenster. »Ja«, antwortet sie.
    »Wo sind Sie aufgewachsen?«
    Der Blick durchs Fenster scheint sie zu faszinieren: so weit das Auge reicht, große Frachter überall in der Manila Bay, Schiffe, die aus Athen, Schanghai, Wladiwostok, Kapstadt, Monrovia kommen. Randy schließt daraus, dass rostige Schiffe anzuschauen interessanter ist als mit Randy zu reden.
    »Würde es Ihnen was ausmachen, mir zu sagen, was eigentlich los ist?«, fragt sie. Sie dreht sich zu ihm um, hebt die Tasse an die Lippen und schaut ihm schließlich direkt in die Augen.
    Randy ist ein bisschen verdutzt. Diese Frage zu stellen ist eigentlich unverfroren von America Shaftoe. Ihre Firma, die Semper Marine Services, ist ein Auftragnehmer auf der untersten Ebene von Avis virtueller Körperschaft – nur eine von einem ganzen Dutzend Boot- und Tauchermietfirmen, die sie hätten anheuern können -, und es ist ungefähr so, als würde man von seinem Hausmeister oder Taxifahrer verhört.
    Andererseits ist sie gewitzt, ungewöhnlich und gerade wegen ihrer Bemühungen, es nicht zu sein, richtig süß. Als interessante Frau und amerikanische Landsmännin spielt sie ihre Trümpfe aus und fordert einen höheren Status. Randy versucht, sich in Acht zu nehmen.
    »Beunruhigt Sie irgendetwas?«, fragt er.
    Sie wendet den Blick ab, fürchtet, ihm einen falschen Eindruck vermittelt zu haben. »Eigentlich nicht«, erwidert sie. »Ich bin einfach neugierig. Ich höre gerne Geschichten. Taucher sitzen immer herum und erzählen einander Geschichten.«
    Randy nippt an seinem Kaffee. »In diesem Geschäft weiß man nie, aus welcher Ecke der nächste Auftrag kommen wird«, fährt America fort. »Manche Leute wollen aus den verrücktesten Gründen etwas unter Wasser erledigt haben, und das erfahre ich eben gern.« Schließlich sagt sie: »Es macht einfach Spaß!«, und das scheint auch die ganze Motivation zu sein, die sie braucht.
    Alles oben Gesagte betrachtet Randy als ziemlich professionellen Schmu. Er beschließt, Amy nicht mehr als den Inhalt der Pressemitteilungen zu verraten. »Alle Filipinos sind in Manila. Dahin muss die Information fließen. Allerdings ist es ein bisschen schwierig, Informationen nach Manila zu bekommen, da die Stadt im Rücken Berge und vorne die Manila Bay hat. Dort

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