Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
langweilen. Nicht dass er dabei wäre, sich in sie zu verknallen, denn er wettet fünfzig zu fünfzig, dass sie lesbisch ist, und so blöd ist er nicht. Aber sie ist so freimütig, so arglos, dass er das Gefühl hat, er könnte ihr alles anvertrauen, von gleich zu gleich.
    Aus genau diesem Grund hasst er das Geschäftsleben. Er möchte jedem alles erzählen. Er möchte mit den Leuten Freundschaft schließen.
    »Jetzt lassen Sie mich raten«, sagt Amy. »Sie sind der Mann, der die Software macht.«
    »Stimmt«, gibt er, leicht in die Defensive gedrängt, zu, »aber die Software ist das einzig Interessante an dem ganzen Projekt. Alles Übrige ist Nummernschilder machen.«
    Das lässt sie ein wenig aufhorchen. »Nummernschilder machen?«
    »Das ist ein Ausdruck, den mein Geschäftspartner und ich benutzen«, antwortet Randy. »Bei jedem Job gibt es etwas Kreatives zu tun – eine neue Technologie zu entwickeln oder was weiß ich. Alles andere – neunundneunzig Prozent – besteht darin, Verträge abzuschließen, Kapital zu beschaffen, Gespräche zu führen, das Marketing und den Verkauf zu organisieren. All das nennen wir Nummernschilder machen.«
    Sie nickt, sieht zum Fenster hinaus. Randy ist drauf und dran, ihr zu erzählen, dass Pinoygramme nichts anderes sind als eine Möglichkeit, Geld locker zu machen, damit sie zu Teil zwei ihres Geschäftsvorhabens übergehen können. Er ist sich sicher, dass sein Format dadurch weit über das eines schlichten Softwareknaben hinauswachsen würde. Doch Amy bläst einmal kurz über ihren Kaffee, als würde sie eine Kerze auspusten, und sagt: »Okay. Danke. Ich glaube, das war die drei Packungen Zigaretten wert.«

Albtraum
    Bobby Shaftoe ist zum Kenner von Albträumen geworden. Wie ein Kampfpilot, der sich mit dem Schleuderseitz aus einem brennenden Flugzeug rettet, ist er soeben aus einem alten Albtraum in einen nagelneuen, noch besseren katapultiert worden. Der Traum ist gruselig und subtil; es kommen keine Riesenechsen darin vor.
    Er beginnt mit Hitze in seinem Gesicht. Wenn man genügend Treibstoff nimmt, um ein Fünfzigtausend-Tonnen-Schiff mit fünfundzwanzig Knoten über den Pazifischen Ozean zu befördern, und alles in einen einzigen Tank füllt, und wenn dann die Nips drüberwegfliegen und das Ganze in wenigen Sekunden abfackeln, während man selbst so nahe dabei steht, dass man das triumphierende Grinsen auf den Gesichtern der Piloten erkennt, dann kann man die Hitze im Gesicht spüren.
    Bobby Shaftoe schlägt in der Erwartung die Augen auf, dass er damit den Vorhang vor einem Albtraum von einsamer Klasse hebt, wahrscheinlich den letzten Momenten von Torpedobomber um zwei! (seit eh und je sein Lieblingsstreifen) oder dem überraschenden Beginn von Das Bombardement der gelben Männer XVII.
    Aber der Ton zu diesem Albtraum scheint nicht zu laufen. Es ist so still wie vor einem Hinterhalt. Er sitzt in einem Krankenhausbett, umringt von einem Peloton von Aufhellern, sodass es schwer fällt, irgendetwas anderes zu sehen. Shaftoe blinzelt und konzentriert sich auf einen Wirbel von Zigarettenrauch, der wie ausgelaufenes Dieselöl in einer tropischen Bucht in der Luft hängt. Es riecht richtig gut.
    Ein junger Mann sitzt an seinem Bett. Alles, was Shaftoe von diesem Mann sehen kann, ist ein unregelmäßiger Heiligenschein, wo sich das Licht im Petroleumglanz seiner Pompadourfrisur fängt. Und das rote Glimmen seiner Zigarette. Bei genauerem Hinsehen kann er die Silhouette einer Militäruniform ausmachen. Keiner Marine-Uniform. Auf den Schultern schimmern Lieutenantsstreifen, Licht, das durch Türflügel scheint.
    »Möchten Sie noch eine Zigarette?«, fragt der Lieutenant. Seine Stimme ist heiser, aber merkwürdig sanft.
    Shaftoe senkt den Blick auf seine Hand und sieht die letzten anderthalb Zentimeter einer Lucky Strike zwischen seine Finger geklemmt.
    »Fragen Sie mich mal was Schwieriges«, bringt er heraus. Seine Stimme ist tief und undeutlich, wie von einem fast abgelaufenen Grammophon.
    Die Kippe wird gegen eine neue ausgetauscht. Shaftoe führt sie zum Mund. Sein Arm ist bandagiert und unter den Bandagen kann er schwere Verletzungen spüren, die ihm eigentlich Schmerzen zufügen müssten. Aber irgendetwas blockiert die entsprechenden Signale.
    Ah, das Morphium. So schlimm kann der Albtraum nicht sein, wenn es Morphium dazu gibt, oder?
    »Sind Sie bereit?«, fragt die Stimme. Verdammt noch mal, die Stimme klingt vertraut.
    »Sir, fragen Sie mich was Schwieriges, Sir!«

Weitere Kostenlose Bücher