Cryptonomicon
Unterseekabel zu verlegen, ist der reinste Albtraum …«
Sie nickt. Das dürfte ihr nicht neu sein. Randy drückt die Vorspultaste. »Corregidor ist ein ziemlich guter Platz. Von dort aus kann man eine Mikrowelle auf einer Visierlinie quer über die Bucht in die Innenstadt von Manila übertragen.«
»Sie verlängern also den Küstenteilabschnitt Nordluzon von der Subic Bay bis runter nach Corregidor«, sagt sie.
»Hm – zwei Anmerkungen zu dem, was Sie gerade gesagt haben«, antwortet Randy und hält kurz inne, um die Antwort in die Warteschlange seines Ausgabepuffers einzureihen. »Punkt eins: Sie müssen mit Ihren Pronomen vorsichtig sein – was meinen Sie mit ›Sie‹? Ich arbeite für Epiphyte Corporation, eine Firma, die von Grund auf so konzipiert ist, dass sie nicht unabhängig arbeitet, sondern als Teil eines virtuellen Unternehmens, so ungefähr wie -«
»Ich weiß, was ein Epiphyt ist«, unterbricht sie ihn. »Und Punkt zwei?«
»Okay, gut«, sagt Randy, ein wenig aus der Fassung gebracht. »Punkt zwei ist, dass die Verlängerung des Teilabschnitts Nordluzon nur die erste von hoffentlich mehreren neuen Verbindungen darstellt. Am Ende wollen wir eine Menge Kabel nach Corregidor hineinlegen.«
Hinter Amys Augen beginnt irgendein Räderwerk zu surren. Die Botschaft ist sonnenklar. Falls sie diesen ersten Job gut erledigen, wird es für Semper Marine einen Haufen Arbeit geben.
»Dieses Projekt wird von einem Joint Venture durchgeführt, zu dem außer uns noch FiliTel, 24 Jam, eine große japanische Elektronikfirma und andere gehören.«
»Was hat denn 24 Jam damit zu tun? Das ist doch eine Supermarktkette.«
»Sie besorgen den Verkauf im Einzelhandel – das Vertriebssystem – für das Produkt von Epiphyte.«
»Nämlich?«
»Pinoygramme.« Randy unterdrückt das Verlangen, ihr zu sagen, dass der Name gesetzlich geschützt ist.
»Pinoygramme?«
»Sie funktionieren folgendermaßen: Nehmen wir an, Sie sind ein Overseas Contract Worker. Bevor Sie nach Saudi Arabien, Singapur, Seattle oder Gott weiß wohin fliegen, kaufen oder leihen Sie ein kleines Kästchen von uns. Es ist ungefähr so groß wie ein Taschenbuch und enthält eine fingerhutgroße Videokamera, einen winzigen Bildschirm und eine Menge Speicherchips. Die Einzelteile kommen von überallher – sie werden zum Freihafen von Subic geliefert und dort in einer japanischen Fabrik zusammengebaut. Auf diese Weise kosten sie so gut wie nichts. Dieses Gerät nehmen Sie also jetzt mit ins Ausland. Immer wenn Sie Lust haben, mit Ihren Leuten zu Hause Kontakt aufzunehmen, schalten Sie es ein, richten die Kamera auf sich und nehmen eine kleine Video-Grußkarte auf. Das alles geht – in stark komprimierter Form – auf die Speicherchips. Dann schließen Sie das Gerät an eine Telefonleitung an und lassen es seine Zauberkunst entfalten.«
»Was für eine Zauberkunst? Schickt es das Video durch die Telefonleitung?«
»Genau.«
»Machen die Leute nicht schon seit Urzeiten mit Videophonen rum?«
»Der Unterschied besteht in unserer Software.Wir versuchen nicht, das Video in Echtzeit zu verschicken – das ist zu teuer. Wir speichern das Datenmateriel auf zentralen Servern und nutzen Ruhephasen, in denen die Tiefseekabel weniger belastet sind, um die Daten dann, wenn die Übertragungszeit billig zu haben ist, durch diese Kabel zu schicken. Schließlich kommen sie bei Epiphyte in Intramuros an.Von dort aus können wir die Daten über Funk an 24-Jam-Märkte überall in Metro Manila verschicken. Der Laden braucht nur eine kuchenplattengroße Satellitenschüssel auf dem Dach und unten hinter der Theke eine Dekodiereinrichtung und einen normalen Videorekorder. Das Pinoygramm wird auf ein normales Videoband überspielt. Wenn dann Mom Eier oder Dad Zigaretten kaufen kommt, sagt der Verkäufer: ›He, ihr habt heute ein Pinoygramm gekriegt‹, und gibt ihnen das Videoband. Sie können es mit nach Hause nehmen und die neuesten Neuigkeiten von ihrem Kind im Ausland erfahren. Danach bringen sie das Band zur Wiederverwendung zu 24 Jam zurück.«
Etwa auf halbem Weg hat Amy das Grundkonzept verstanden, schaut wieder aus dem Fenster und macht sich an den Versuch, mit der Zungenspitze einen Frühstückskrümel aus einem Zahnzwischenraum zu pulen. Dabei hält sie den Mund zwar dezent geschlossen, aber es scheint ihr Denken mehr zu beschäftigen als die Erklärung über die Pinoygramme.
Randy wird von einem verrückten, unerklärlichen Drang gepackt, Amy nicht zu
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