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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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sagt Shaftoe.
    »Das haben Sie schon mal gesagt.«
    »Sir, wenn Sie einen Marine fragen, ob er noch eine Zigarette will oder ob er bereit ist, dann ist die Antwort beide Male die gleiche, Sir!«
    »So ist’s recht«, sagt die Stimme. »Film ab.«
    In der äußeren Dunkelheit, jenseits des Firmaments aus Aufhellern, setzt ein klickendes Geräusch ein. »Läuft«, sagt eine Stimme.
    Etwas Großes senkt sich auf Shaftoe herab. Er drückt sich ganz flach ins Bett, weil es genau wie die unheimlichen Eier aussieht, die die Sturzkampfbomber der Nips in die Luft legen. Doch dann bleibt es stehen und schwebt einfach über ihm.
    »Ton«, sagt eine andere Stimme.
    Shaftoe schaut genauer hin und sieht, dass es keine Bombe, sondern ein großes geschossförmiges Mikrophon am Ende eines Galgens ist.
    Der Lieutenant mit der Pompadourfrisur beugt sich nun vor, sucht wie ein Reisender in einer kalten Winternacht instinktiv das Licht.
    Es ist dieser Kerl vom Film. Wie heißt er gleich noch? Ja, genau!
    Ronald Reagan hat einen Stapel kleiner Karten auf dem Schoß. Er zieht eine neue: »Welchen Rat würden Sie, als der jüngste amerikanische Soldat, der jemals sowohl das Navy Cross als auch den Silver Star verliehen bekam, jungen Marines auf dem Weg nach Guadalcanal geben?«
    Shaftoe muss nicht sehr lange überlegen. Die Erinnerungen sind noch so frisch wie der elfte Albtraum der vergangenen Nacht: zehn schneidige Nips in Selbstmordangriff!
    »Bring den mit dem Schwert zuerst um.«
    »Aha«, sagt Reagan, hebt die gewachsten und nachgezogenen Augenbrauen und neigt seine Pompadourfrisur zu Shaftoe hin. »Sehr schlau – man nimmt sie aufs Korn, weil es die Offiziere sind, stimmt’s?«
    »Nein, du Arschloch!«, brüllt Shaftoe. »Man bringt sie um, weil sie Schwerter haben, verfluchte Scheiße! Hast du schon mal einen auf dich zurennen sehen, der mit einem verfluchten Schwert rumfuchtelt?«
    Reagan gibt klein bei. Er hat Angst und schwitzt etwas von seinem Make-up ab, obwohl von der Bucht her eine kühle Brise zum Fenster hereinweht.
    Am liebsten würde Reagan schleunigst die Flucht ergreifen, nach Hollywood zurückkehren und irgendein Starlet nageln. Aber er hängt hier in Oakland fest und muss den Kriegshelden interviewen. Er durchblättert seinen Kartenstapel, verwirft zirka zwanzig Fragen hintereinander. Shaftoe hat es nicht eilig, er wird so ungefähr für den Rest seines Lebens in diesem Krankenhausbett platt auf dem Rücken liegen. Mit einem einzigen langen Zug setzt er die Hälfte der Zigarette in Brand, hält den Atem an, bläst einen Rauchring.
    Bei nächtlichen Gefechten haben die großen Geschütze auf den Kriegsschiffen weißglühende Gasringe produziert. Keine fetten Kringel, sondern längliche, dünne, die sich wie Lassoschlingen verdrehten. Shaftoes Körper ist mit Morphium gesättigt. Seine Augenlider stürzen über die Augen herab, eine Wohltat für die von den Filmlampen und dem Zigarettenrauch brennenden und geschwollenen Augäpfel. Er und sein Zug versuchen, im Wettlauf mit der Flut um eine Landzunge herumzukommen. Sie sind Marine Raiders, jagen seit zwei Wochen eine bestimmte Einheit der Nips über Guadalcanal und reiben sie langsam auf. Wo sie gerade in der Gegend sind, sollen sie sich laut Befehl bis zu einem bestimmten Punkt auf der Landzunge durchkämpfen, von wo aus sie in der Lage sein müssten, den ankommenden Tokio-Express mit Mörsergranaten einzudecken. Das ist eine ziemlich schwachsinnige und verwegene Taktik, aber das Unternehmen heißt nicht umsonst Operation Schnürsenkel; es ist von Anfang an nichts als aberwitzige Improvisation. Sie liegen hinter dem Zeitplan, weil diese armselige Hand voll Nips wirklich zäh ist, sich hinter jedem umgestürzten Baumstamm in den Hinterhalt legt und jedes Mal auf sie schießt, wenn sie um eine dieser Landzungen herumkommen...
    Irgendetwas Klammes trifft ihn an der Stirn: Es ist der Make-up-Künstler, der ihm einen wischt. Shaftoe findet sich in dem Albtraum wieder, in den der Echsen-Albtraum eingebettet war.
    »Hab ich Ihnen von der Echse erzählt?«, fragt Shaftoe.
    »Mehrmals«, sagt sein Interviewer. »Wir haben es gleich überstanden.« Ronald Reagan klemmt sich ein frisches Kärtchen zwischen Daumen und Zeigefinger und wendet sich einem etwas weniger heiklen Thema zu: »Was haben Sie und Ihre Kameraden abends gemacht, wenn die Kämpfe des Tages vorbei waren?«
    »Mit einem Bulldozer tote Nips zusammengeschoben«, antwortet Shaftoe, »und sie angezündet. Dann sind

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