Cryptonomicon
Taiwan kommendes Kabel hineinführt. Taiwan wiederum ist eng in das weltweite Tiefseekabelnetz eingebunden; es ist leicht und billig, Daten nach Taiwan hinein- oder von dort herauszubekommen.
In der privaten Übertragungskette, die Epiphyte und FiliTel gerade von Taiwan bis in die Innenstadt von Manila zu installieren versuchen, klafft nur noch eine Lücke und sie wird mit jedem Tag, den der Kabellastkahn sich weiter zu der Boje vorarbeitet, schmaler.
Als er schließlich dort ankommt, lichtet die Rui Faleiro die Anker und gleitet ihm entgegen. Der Hubschrauber, das Schnellboot und eine ganze Flottille gemieteter Boote holen Würdenträger und Presseleute aus Manila herbei. Avi taucht mit zwei funkelnagelneuen Smokings aus einer Schneiderei in Schanghai auf (»Sämtliche berühmten Schneider in Hongkong waren Flüchtlinge aus Schanghai«). Er und Randy reißen das Seidenpapier ab, ziehen sie an und fahren dann in einem unklimatisierten Jeepney den Berg hinunter zur Anlegestelle, wo die Glory sie erwartet.
Zwei Stunden später bekommt Randy zum allerersten Mal den Dentisten und die Diva zu Gesicht – im großen Ballsaal der Rui Faleiro . Für Randy ist es eine Party wie jede andere: Er schüttelt ein paar Leuten die Hand, vergisst ihre Namen, findet ein einsames Plätzchen, um sich hinzusetzen, und genießt in seliger Abgeschiedenheit den Wein und das Essen.
Das einzig Besondere an dieser Party ist, dass zwei mit Teer überzogene Kabel etwa von der Dicke eines Baseballschlägers oben auf das Achterdeck führen.Von der Reling aus kann man sehen, wie sie unten im Meer verschwinden. Die Kabelenden treffen auf einer Tischplatte mitten auf dem Deck zusammen, wo ein eigens aus Hongkong eingeflogener, mit einem Smoking ausstaffierter Techniker mit einer Werkzeugkiste sitzt und an der Verbindungsstelle arbeitet. Er arbeitet außerdem an einem üblen Kater, aber das ist Randy egal, denn er weiß, dass sowieso alles nur Schau ist – die Kabel sind lediglich Reststücke, deren lose Enden neben der Yacht im Wasser baumeln. Die echte Verbindung wurde am Vortag hergestellt und liegt bereits von Bits durchströmt auf dem Meeresgrund.
Auf dem Achterdeck steht noch ein anderer Mann, den Blick meistens nach Bataan und Corregidor, aber immer wieder auch auf Randy gerichtet. Als Randy ihn bemerkt, nickt der Mann, als hakte er auf einer Liste in seinem Kopf etwas ab, steht auf, kommt herüber und gesellt sich zu ihm. Er trägt eine prunkvolle Uniform, die US-Navy-Entsprechung zum Smoking. Er ist fast kahl und die paar Haare, die er noch hat, sind schlachtschiffgrau und auf eine Länge von vielleicht fünf Millimetern abrasiert. Als er auf Randy zugeht, beobachten einzelne Filipinos ihn mit unverhohlener Neugier.
»Randy«, sagt er. Als er Randys rechte Hand ergreift, um sie zu schütteln, stoßen klimpernd Orden zusammen. Dem Aussehen nach dürfte er etwa fünfzig sein, aber er hat die Haut eines achtzigjährigen Beduinen. Seine Brust schmücken eine Menge Bänder, und viele davon sind rot und gelb, Farben, die Randy vage mit Vietnam verbindet. Auf einem kleinen Namensschild über der Brusttasche steht SHAFTOE. »Lassen Sie sich nicht täuschen, Randy«, sagt Douglas MacArthur Shaftoe, »ich bin nicht mehr im aktiven Dienst. Seit einer Ewigkeit im Ruhestand. Habe aber immer noch das Recht, diese Uniform zu tragen. Und das ist hundertmal einfacher als loszuziehen und einen Smoking zu suchen, der mir passt.«
»Angenehm.«
»Das Vergnügen ist ganz auf meiner Seits. Da wir gerade dabei sind, wo haben Sie Ihren herbekommen?«
»Meinen Smoking?«
»Ja.«
»Mein Partner hat ihn machen lassen.«
»Ihr Geschäftspartner oder Ihr Sexualpartner?«
»Mein Geschäftspartner. Eine Sexualpartnerin habe ich im Augenblick nicht.«
Doug Shaftoe nickt gelassen. »Es spricht für sich, dass Sie in Manila keine gefunden haben. Wie zum Beispiel unser Gastgeber.«
Randy lenkt seinen Blick in den Ballsaal auf Victoria Vigo, die, wenn sie nur noch ein bisschen mehr strahlte, die Farbe von der Wand blättern und die Fensterscheiben wie Karamell zerlaufen ließe.
»Vermutlich bin ich einfach schüchtern oder so«, sagt Randy.
»Sind Sie zu schüchtern, um sich ein Geschäftsangebot anzuhören?«
»Keineswegs.«
»Meine Tochter behauptet, Sie und unser Gastgeber würden hier in der Gegend in den kommenden Jahren womöglich noch mehr Kabel verlegen.«
»Im Geschäftsleben planen die Leute selten, eine Sache nur einmal zu machen«,
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