Crystall (German Edition)
sie sich den meisten Weg mit ihren Gedanken. Sie war sauer, dass sie noch immer nicht begriff, was die Kerle von ihr wollten. Es gab so viele Fragen, auf die sie bisher nicht eine einzige Antwort bekommen hatte. Stattdessen wurde sie nur mehr in die Irre geführt und in Rätseln nur so eingesponnen. Und warum wussten alle von ihrem Kommen?
Mandy verlor das Zeitgefühl und auch die Orientierung. Sie versuchte erst gar nicht, sich die Wege zu merken. Das einzige, was sie bewusst wahr nahm, waren die Veränderungen der Gänge. Aus einfachem Lehm und Fels wurde feinste Arbeit, die Wände professionell gemauert aus winzigen Ziegeln. Die Gänge wurden zudem breiter und heller, aber ebenso verstrickter. Sie gingen geradezu durch ein Labyrinth und sie hatte keine Ahnung, wo sie waren. Es mussten Dutzende von Abzweigen gewesen sein.
Nach gut einer viertel Stunde, in der sie allesamt schwiegen, erreichten die drei eine Treppe, die gewunden irgendwo weit hinauf führte. Wahrscheinlich waren sie am Fuß des Turmes, der steile Neigungsgrad der Treppe ließ darauf schließen. Stufen zählen wäre sinnlos.
Mandys Blick fragte den Wächter, ob sie wirklich da hinauf müssten und der Typ reagierte spontan mit einem Kopfnicken, sogar einem flüchtigen Lächeln.
Das Mädchen holte tief Luft und machte sich hinter der Gestalt an den Anstieg, der nie zu enden schien. Sie war sicher, wenn sie gezählt hätte, wäre sie weit über dreitausend Stufen gekommen. Und diese ging es in monotoner Steigung hinauf.
Mandy verbot sich strengstens, hinab zu sehen und so schaffte sie es auch bis hinauf. Sie hatte das Gefühl, mehrere Minuten unterwegs gewesen zu sein.
Hier oben war die Atmosphäre gleich viel anders. Der untere Teil hatte noch eher einer Burg geglichen, aber nun wurde es anders. Die Luft roch nicht mehr nach kaltem, nassen Fels und sie bekam riesige Fenster zu Gesicht, die das Innere taghell erleuchteten. Das Mauerwerk erinnerte an die Innereien eines Schlosses.
Die Wächter führten sie nur zwei weitere Gänge entlang, bevor sie an einer Tür hielten und für einen Moment zögerten. In dieser Zeit machte sich Mandy gedanklich Hoffnung. Sie schien nicht als Feind gesehen zu werden, denn die Gestalten hatten sie ganz ohne Fesseln hergeführt. Außerdem machten sie nicht den Eindruck, als fürchteten sie sich vor ihr.
Abwarten , dachte Mandy dennoch. Der erste Eindruck konnte oft täuschen.
Endlich öffnete einer der Typen die Tür und trat ein. Mandy folgte ihm und war überrascht auf eine enttäuschende Weise. Sie befand sich in einem Raum, der ihre Erwartungen an einen riesigen Königssaal nahm. Im Gegenteil war es sehr klein und die fünf Gestalten, die sich hier aufhielten – inklusive sie und die Wächter – hatten gerade genügten Platz. Zudem war es nicht einmal annähernd so hell, wie draußen auf dem Gang und sie sah keine Schätze oder Kostbarkeiten, die meist im Thronsaal herumlagen. Das Beste aber war, den König erkannte sie nur dadurch, weil alle anderen standen und eine Art Gasse bildeten, die zum Sitz des Herrschers führte. Der saß auf einem völlig normalen Stuhl und trug keine sonderbaren Gewänder. Ein schlicht einfacher Umhang kleidete den Mann, der ausnahmsweise größer war als sie selbst. Oberkörper und Kopf glichen einem normalen Mann, wahrscheinlich um die vierzig Jahre. Das Gesicht war markant männlich mit einem hauchdünnen Ansatz eines Bartes. Die Augen verrieten ihr, dass er sehr erfahren war und unter Umständen eine harte Faust führen konnte. Statt eines Zepters hielt er einen Stab mit seltsamen Verzierungen in der Hand und als Mandy daran hinab sah, erkannte sie, dass auch der König kein Mensch war. Seine Beine waren mit Fell überzogen und endeten in Pferdeläufen. Sie wusste es nicht genau, aber er musste ein Satyr sein, halb Pferd, halb Mensch. Von diesen Wesen hatte sie gehört, dass sie mehr unfreiwillig so wurden. Es war nachzuvollziehen, die Pferdebeine mussten eine starke Behinderung sein. Aber trotz allem spannte sich unter dem dünnen Umhang ein muskulöser Körper.
So viel es auch zu sehen gab, Mandy kämpfte mit aller Mühe dagegen an, nicht schon wieder blöd zu starren , bei dem König würde das unhöflich ankommen. Deshalb wand sie den Blick ab und musterte kurz die anderen. Diese fünf standen stillschweigend da und musterten sie gebannt aus den Augenwinkeln. Einige von ihnen sahen aus wie der kleine Zwerg und die Wächter. Mandy glaubte sogar, den Wicht zu erkennen, der
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