Cthulhu-Geistergeschichten
Nigger-Man aber brach in erneute Unruhe aus und scharrte wie rasend am Sockel des großen Opfersteines in der Mitte des Raumes, der Norrys'
Liegestatt näherstand als meiner.
Meine Furcht vor dem Unbekannten war an diesem Punkt sehr groß. Etwas Verblüffendes war geschehen, und ich sah, daß Captain Norrys, ein jüngerer, kräftigerer, eher materialistischer Mensch, genau so betroffen war wie ich selbst -
vielleicht wegen seiner lebenslangen Vertrautheit mit den einheimischen Gerüchten und Sagen. Im Augenblick vermochten wir nichts anderes tun, als den alten, schwarzen Kater zu beobachten, der mit schwindendem Eifer am Sockel des Altars scharrte, gelegentlich aufschaute und mir auf jene zutrauliche Art zumiaute, die er stets anwendete, wenn er von mir etwas wollte. Norrys brachte nun eine der Laternen nahe an den Altar heran und untersuchte die Stelle, an der Nigger-Man mit den Pfoten scharrte. Schweigend kniete er nieder und riß die jahrhundertealten Flechten weg, die den massiven vorrömischen Steinblock mit dem Mosaikpflaster verbanden. Er fand nichts und wollte schon seine Bemühungen aufgeben, als ich eines eher unbedeutenden Umstands gewahr wurde, der mich, obgleich ich ihn eigentlich bereits vorausgeahnt hatte, erschauern ließ.
Ich machte Norrys aufmerksam und wir blickten beide auf diese eher unmerkliche Manifestation mit der Starrheit des Entdeckens und Erkennens. Es war das: Die Flamme, nahe dem Altar abgestellt, flackerte leicht aber deutlich in einem Luftzug, dem sie zuvor nicht ausgesetzt gewesen war, und der zweifellos aus einer Spalte zwischen Fliesen und Altar drang, wo Norrys die Flechten weggerissen hatte.
Wir verbrachten den Rest der Nacht im strahlend erleuchteten Arbeitszimmer, nervös diskutierend, was wir als nächstes unternehmen sollten. Die Entdeckung, daß ein Gewölbe tiefer lag als das tiefste Mauerwerk der Römer, irgend ein Gewölbe, übersehen von der Neugierde der Archeologen dreier Jahrhunderte, hätte genügt, in Begeisterung zu versetzen, wäre nicht dieser sinistre Hintergrund gewesen. So aber wurde unsere Entdeckerfreude zwiespältiger Natur, und wir blieben lange im Zweifel, ob wir unsere Nachforschungen einstellen und die Priorei aus abergläubischer Furcht für immer meiden sollten, oder ob wir unserem Abenteurermut nachgeben und jeglichem Grauen trotzen sollten, das uns in diesen unbekannten Tiefen erwarten könnte. Am Morgen hatten wir einen Kompromiß geschlossen und uns entschieden, in London eine Gruppe von Archeologen und Wissenschaftern zusammenzustellen, die geeignet war, es mit diesem Mysterium aufzunehmen. Es darf hier nicht unerwähnt bleiben, daß wir, ehe wir das Kellergewölbe verließen, vergeblich versucht hatten, den Hauptaltar zu bewegen, den wir nun als Tor zu einem neuen Höllenschlund namenloser Furcht betrachteten. Welches Geheimnis dieses Tor öffnen würde, würden klügere Menschen als wir herausfinden müssen.
Während vieler Tage in London unterbreiteten Captain Norrys und ich Tatsachen, Vermutungen und sagenhafte Berichte fünf hervorragenden Kapazitäten -alles Männer, bei denen man sich darauf verlassen konnte, daß sie alles unliebsame, das vielleicht durch künftige Erforschungen ans Tageslicht käme, geheimhalten würden. Es stellte sich auch heraus, daß kaum einer von ihnen zu Spott geneigt war, im Gegenteil, sie zeigten sich außerordentlich interessiert und der Sache zugetan. Es ist kaum nötig, sie alle namentlich aufzuführen, aber ich möchte dennoch bemerken, daß Sir William Brinton dabei war, dessen Ausgrabungen in Troas seinerzeit weltweites Aufsehen erregt hatten. Als wir endlich den Zug nach Anchester nahmen, fühlte ich mich am Rande furchtbarer Enthüllungen; eine Empfindung, symbolisiert durch die Trauer so vieler Amerikaner über den unerwarteten Tod des Präsidenten auf der anderen Seite der Welt.
Am Abend des 7. August erreichten wir Exham Priory, wo die Dienerschaft mir versicherte, daß nichts Ungewöhnliches vorgefallen wäre. Die Katzen, ja sogar der alte Nigger-Man, hatten sich ruhig verhalten; und nicht eine einzige Falle im Haus war zugeschnappt. Wir hatten vor, mit den Untersuchungen am nächsten Tag zu beginnen.
Meinen Gästen hatte ich komfortabel ausgestattete Zimmer zugewiesen, ich selbst zog mich in meine eigene Turmkammer zurück, mit Nigger-Man quer über den Füßen. Ich schlief bald ein, wurde aber von gräßlichen Träumen bedrückt. Es war eine Vision eines altrömischen Gelages, wie jenes von
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