Cubuyata - Die Rückkehr des Propheten (Science Fiction Thriller) (German Edition)
auf Großmeister Feng II vor neunzehn Jahren erfolgreich gewesen wäre?" Hätte ohne die Kontinuität der patriarchalischen, charismatischen Führungsqualitäten der Fengs ein allumfassender Machtanspruch, wie er ja heute herrscht, überhaupt eine Grundlage? Wang Dun dachte aber an eine andere, noch ältere Debatte. "Was, wenn die Zweitbesiedler einen Aufstand anzettelten und die Machtverhältnisse kippten?"
Mit geübten Handgriffen sprang Wang Dun durch das unkomfortable und kryptische Menü und überflog die neuesten Meldungen, was der Praktikant mit dem Heben einer Augenbraue kommentierte. Wang Duns Körpersprache spiegelte hingegen den Zuwachs an Erkenntnis wieder, er sackte nach und nach auf dem klapprigen Bürostuhl in sich zusammen.
"Das gesamte Zentrum ist betroffen, das ist ein verdammter Bürgerkrieg." Wie in Trance las er weiter. Von Überfällen der Rothulsoldaten, Kämpfen in den Armenvierteln, brennenden Hochhäusern, Gegenanschläge in Reichenvierteln und Kirchen durch Hokkaidos Rache.
"Nein, das ist kein Bürgerkrieg. Das ist eine ethnische Säuberung mit einer Gegenbewegung."
Ein lautes Klopfen an der verbarrikadierten Eingangstür riss ihn aus seinen düsteren Gedanken. Zwei der jüngeren Mitarbeiter sprangen mit hastig ergriffenen Stangen von ihren Stühlen auf und rannten zur Tür. "Wer ist da?", rief Wang Dun. Er bereitete sich auf eine explosive Antwort ein und suchte Schutz hinter seinem Schreibtisch.
"Ich bin es, Boss. Jinglei!"
Die beiden Männer wandten sich Wang Dun zu, der sich aus seinem Versteck erhob und ihnen nach einigen Augenblicken zaghaft zunickte. Sie öffneten mit Vorsicht die Tür. Eine von zwei Soldaten begleitete junge Frau betrat den Redaktionsraum. Die beiden Redakteure verbarrikadierten direkt nach ihrem Eintreten die Tür von Innen und sahen erst sich und dann Wang Dun unsicher an.
"Es ist ok, Leute. Ich hatte Jinglei bereits erwartet." Er lächelte ihrem vertrauten Gesicht zu. "Und du kommst genau rechtzeitig."
Wang Dun erfuhr in der nächsten Stunde Unmengen neuer Informationen. Von Jingleis zweitem Leben als politisch engagierte Sakura, was ihn mehr freute als verstörte. Von den Verdächtigungen gegen Feng, die ihn schockierten. Von der Situation da draußen, die ihn schweigen lies. Er erkannte, dass er sich inmitten der größten Story befand, von der je eine Zeitung auf Cubuyata berichtet hatte. Wang Dun schenkte ihr und sich frischen Kaffee ein.
"Haben sie den Text dabei?", fragte er, während Sakura ihr PD hervor holte. "Ja, und noch einiges mehr. Ich brauche ihre Hilfe in einer weiteren Sache." Sie erzählte ihm von den letzten Stunden, von dem Video mit Feng und Varlas und von ihrem fehlenden Plug-In zum Lippenlesen.
"Sie haben wirklich Glück, dass ihr Chef ein uralter Hase ist." Er deutete ihr an, sich neben ihn an den Schreibtisch des Praktikanten zu setzen. Die ASCII-Bildchen, die giftgrüne Schrift auf schwarzem Hintergrund, noch immer fühlte er sich hier zu Hause. Das PirateNet baute optisch auf schon damals zu seiner Entstehung anachronistischer Software aus den Achtzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts von der Erde auf. Während seiner Entstehung hatte in der hiesigen Entwicklergemeinde gewaltiges Interesse an den Anfängen der Informationstechnologie bestanden. Damals schoben sich fünfhundert Jahre alte Fachbücher über bis dato vergessene Programmiersprachen in die IT-Sachbuch-Bestsellerlisten. Kein visueller Ballast hatte die ausgetauschten Informationen im PirateNet stören sollen, nur der Inhalt hatte gezählt. Engagierte Programmierer hatten PirateNet als Gegenentwurf zu den Piraten- und Journalistennetzwerke aus dieser Zeit angelegt, die mit immer hochauflösenderer und komplexeren Grafik die Puristen unter den Benutzern störten, da dies von dem eigentlichen Sinn zu sehr ablenkte.
Wang Dun fühlte, wie Sakura ihn gespannt beobachtete. Er sprang von Forum zu Forum, wechselte Gruppen, Nachrichtenbretter, Ablagesysteme. Bereits nach wenigen Minuten fand er, wonach er suchte. Kurz darauf stöpselte er das PersonalDevice ab und übergab es an Sakura.
Mit großen Augen startete sie die Konvertierungssoftware, mit dem nun am rechten Fleck befindlichen Plug-In. Wang Dun schaltete die große Videowand auf der Gegenseite an und aktivierte die Lautsprecher. Sakura warf das Bild der gerade begonnenen Unterhaltung von Varlas mit Feng an die Wand. In Untertitel übersetzte das Plug-In die Unterhaltung in Text, während Feng Varlas begrüßte.
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