Cugel der Schlaue
und schwang sich hinab zur Steuerbordlaufplanke. Er löste den kranken Wurm und lockte ihn aus der Halterung.
Der Wurm trieb frei auf dem Wasser. Lankwiler sprang in den Spreizsitz und zog an den Knoten. Aber die Nerven waren durchtrennt und da verursachte die geringste Berührung heftige Schmerzen. So peitschte der Wurm mit den Schwanzflossen und brauste nordwestwärts dahin, während Lankwiler nun erst recht verzweifelt an den Knoten zog und drehte.
Am Morgen war Lankwilers Verschwinden das Gesprächsthema Nummer eins. Oberwurminger Drofo, Kapitän Baunt und Soldinck trafen sich im Aufenthaltsraum, um ihre Meinung darüber auszutauschen. Schließlich wurde Cugel hinzugezogen.
Soldinck, der auf einem hochlehnigen Stuhl aus feingeschnitztem Skeel saß, räusperte sich. »Cugel, wie du weißt, ist Lankwiler mit einem wertvollen Wurm verschwunden. Kannst du vielleicht Licht in die Sache bringen?«
»Wie alle anderen kann ich nur raten.«
»Wir würden uns freuen, deine Meinung zu hören«, forderte Soldinck ihn zum Sprechen auf.
Bedächtig sagte Cugel: »Ich glaube, Lankwiler hatte keine Hoffnung mehr, ein tüchtiger Wurminger zu werden. Seine Würmer wurden krank, und Lankwiler verlor allen Mut. Ich versuchte, ihm zu helfen und gestattete ihm, sich einen meiner gesunden Würmer zu nehmen und mir dafür einen kranken zu bringen, um ihn zu heilen und aufzupäppeln – wie Meister Drofo bestimmt bemerkt hat, auch wenn er kein Wort darüber verlor.«
Soldinck wandte sich an Drofo: »Stimmt das? Wenn ja, ehrt es Cugel sehr.«
Zögernd antwortete Drofo: »Nun, ich sprach gestern morgen mit Cugel darüber.«
Soldinck blickte Cugel an. »Fahr bitte fort.«
»Ich kann nur annehmen, daß Mutlosigkeit ihn zu einem letzten verzweifelten Schritt trieb.«
»Das klingt unvernünftig!« rief Kapitän Baunt. »Wenn er keinen Ausweg mehr sah, warum ist er dann nicht einfach ins Wasser gesprungen? Warum hat er einen unserer wertvollen Würmer mitgenommen?«
Cugel überlegte kurz. »Möglicherweise wollte er mit der Kreatur, an der er verzweifelte, in den Tod gehen.«
Soldinck blies seine Wangen auf. »Wie auch immer, Lankwilers unüberlegte Handlung bringt uns in arge Verlegenheit. Drofo, wie werden wir mit nur drei Würmern vorankommen?«
»Es wird zu keinen übermäßigen Schwierigkeiten kommen. Cugel kann sich um die Würmer an beiden Seiten kümmern. Um dem Steuermann die Arbeit zu erleichtern, werden wir doppelte Ködermenge an Steuerbord und halbe an Backbord benutzen. So müßten wir ohne größere Mühe nach Lausicaa gelangen, wo wir etwas unternehmen können.«
Kapitän Baunt hatte den Kurs bereits geändert, damit Madame Soldinck in den Paphnissischen Quellen baden konnte. Er hatte sich eine schnelle Fahrt erhofft und war deshalb über die Verzögerung nicht glücklich. Laufend beobachtete er Cugel, um sich zu vergewissern, daß er aus den Würmern herausholte, was nur möglich war. »Cugel!« rief er. »Kümmere dich um den Außenwurm! Er zieht zu sehr nach innen.«
»Jawohl, Herr Kapitän.«
Gleich darauf: »Cugel, dein Steuerbordwurm ist faul, er liegt nur im Wasser. Benutze frischen Köder!«
»Ich nehme bereits doppelte Menge und habe erst vor einer Stunde frischen eingefüllt«, brummte Cugel.
»Dann nimm einen halben Krug Heidingers Betörung, und beeil dich! Ich möchte Pompodouros morgen vor Sonnenuntergang erreichen!«
Während der Nacht wurde der Steuerbordwurm mißmutig und peitschte mit den Schwanzflossen das Wasser. Drofo, den das Platschen geweckt hatte, rannte aus seiner Kabine. Von der Reling aus beobachtete er, wie Cugel von der Planke aus ein Halteseil über die Flossen zu werfen versuchte.
Nachdem er eine Weile zugesehen hatte, war er sich des Problems klar geworden. Mit näselnder Stimme rief er: »Immer erst den Köder heben, dann erst das Seil werfen ... Was geht dort unten eigentlich vor sich?«
Mürrisch antwortete Cugel: »Der Wurm will auf und ab tauchen und seitwärts schwimmen.«
»Was hast du ihn gefüttert?«
»Das übliche: halb Chalcorex und halb von Illems Besten.«
»Vielleicht solltest du in nächster Zeit etwas weniger Chalcorex geben. Dieser leichte Gewebeauswuchs hinter dem Rüssel ist gewöhnlich ein verläßliches Zeichen. Welchen Köder benützt du?«
»Doppelköder, wie man mir befahl. Außerdem verlangte der Kapitän, daß ich einen halben Krug Heidingers Betörung hinzufüge.«
»Ah, das ist das Problem! Du hast überködert, und das ist wahrhaft
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