Cugel der Schlaue
strengte sich an, ihn von Cugels Fuß hochzuheben. Mehrere Minuten plagte er sich, ohne auf Cugels Schmerzensschreie zu achten. Endlich lokkerte der Tentakel sich, und Cugel kroch hastig in Sicherheit.
Mit größter Vorsicht näherte Iolo sich dem Loch und spähte in die dunkle Tiefe. »Ich sehe einen Schimmer fernen Lichtes. Es ist ein sehr ungewöhnliches Loch … Ah, was bedeutet dieser Zwirn? Er ist an einer Wurzel befestigt und hängt in das Loch.«
»Ich band das andere Zwirnende um einen Stein und ließ ihn hinab, um die Tiefe des Loches zu ergründen«, erklärte Cugel. »Aber das gelang mir nicht.«
Iolo zog an dem Zwirn. Er gab zuerst nach, dann leistete er irgendwie Widerstand und riß schließlich. Iolo begutachtete das zerfranste Ende. »Seltsam! Es hat den Anschein, als wäre der Zwirn mit einer Säure
in Berührung gekommen, die ihn auflöste.«
»Äußerst seltsam«, pflichtete Cugel ihm bei.
Iolo warf den Zwirn zurück in das Loch. »Kommt, wir dürfen nicht noch mehr Zeit vergeuden! Eilen wir nach Cuirnif und suchen den Halunken, der mir meine Schätze gestohlen hat.« Der Weg führte aus dem Wald und vorbei an Feldern und Obstgärten. DieBauern, die ihre Äcker bestellten, schauten interessiert auf, als die beiden Reisenden an ihnen vorbeikamen: der wohlbeleibte Iolo in dem schwarzweißen Rautenmusteranzug, und der langbeinige Cugel mit einem schwarzen Umhang über den knochigen Schultern und der vornehmen grünen Samtkappe über dem finsteren Gesicht.
Unterwegs stellte Iolo weitere Fragen über den Räuber. Cugel hatte das Interesse an diesem Thema verloren, so gab er vage, zweideutige oder gar völlig widersprüchliche Antworten.
Sie erreichten die Stadt, überquerten einen breiten Platz, und Cugel entdeckte einen Gasthof, der komfortable Unterkunft zu versprechen schien. »Hier trennen sich unsere Wege«, wandte er sich an seinen Begleiter. »Ich beabsichtige, mir in jenem Wirtshaus ein Schlafgemach zu nehmen.«
»In den Fünf Eulen? Das ist das teuerste Gasthaus am Platz. Womit wollt Ihr bezahlen?«
Cugel lächelte selbstbewußt. »Ist der Hauptpreis nicht tausend Terces im Wettbewerb der Wunderwirker?«
»Das wohl, doch was habt Ihr vorzuweisen? Ich warne Euch. Der Herzog zeigt keine Geduld mit Scharlatanen.«
»Ich gehöre nicht zu jenen, die anderen alles anvertrauen, was sie wissen«, antwortete Cugel. »Ich werde meine Pläne noch nicht verraten.«
»Aber was ist mit dem Räuber?« rief Iolo. »Wollten wir nicht Cuirnif nach ihm absuchen?«
»Die Fünf Eulen sind so gut wie jeder andere Ort, um nach ihm zu suchen. Ich bin überzeugt, der Räuber wird in die Wirtsstube kommen, um mit seinen Erlebnissen zu prahlen und sich mit Euren Terces zu betrinken. Inzwischen wünsche ich Euch bequeme Unterkunft und angenehme Träume.« Cugel verbeugte sich höflich und ließ Iolo stehen.
In den Fünf Eulen bekam Cugel ein freundliches Gemach, wo er sich frisch machte und seine Kleidung ausbürstete. Dann stieg er hinunter in die Gaststube und leistete sich das beste Mahl, das das Haus zu bieten hatte.
Der Wirt trat an seinen Tisch, um sich zu vergewissern, daß es seinem Gast an nichts fehlte, und Cugel lobte seine gute Küche.
»Alles in allem«, sagte er, »scheint mir Cuirnif ein äußerst angenehmes Städtchen zu sein. Die Aussicht ist herrlich, die Luft erfrischend, und Herzog Orbal offenbar ein milder Herrscher.«
Der Wirt nickte unverbindlich. »Wie Ihr andeutet, ist Herzog Orbal nie gereizt, grausam, mißtrauisch noch heftig, außer er findet es in seiner Weisheit angebracht, woraufhin er alle Milde im Interesse der Gerechtigkeit zur Seite schiebt. Schaut mal zum Hügelkamm hoch. Was seht Ihr da?«
»Vier Röhren oder Pfeifen, etwa hundert Fuß hoch und je drei im Durchmesser.«
»Ihr seht richtig. In diese Rohre werden die ungehorsamen Angehörigen unserer Gesellschaft geworfen, egal von welchem Stand sie sind. Ich kann Euch deshalb nur raten, widersprecht Herzog Orbal nie, falls Ihr Euch mit ihm unterhaltet, und tut genau, was er sagt.«
Aus Gewohnheit blickte Cugel besorgt über die Schulter. »Euer Rat ist gewiß gutgemeint, aber ich bin nur auf der Durchreise und keiner seiner Untertanen.«
Der Wirt zuckte skeptisch die Schulter. »Ich nehme an, Ihr seid hier, um Euch die Ausstellung der Wunder anzusehen?«
»Mehr noch! Ich werde versuchen den Großen Preis zu gewinnen. Ach, übrigens, könnt Ihr mir sagen, ob es hier einen Fuhrwerkverleih gibt?«
»Gewiß.« Der
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