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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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Blätter. »Das hier habe ich in den Archiven des Louvre gefunden.«
    »Was ist das?«
    »Zwei Briefe aus dem Jahr 1924, geschrieben von einem Archäologen des Institut Français du Caire und adressiert an den damaligen Kurator der Ägyptischen Abteilung des Louvre.«
    Joubert vertiefte sich, weiter mit dem Fuß wippend, in die Lektüre der Briefe. »Hier findet sich absolut nichts, was Ghazis Anschuldigungen belegen könnte.« Er gab Théo die Briefe zurück.
    »Da gebe ich Ihnen recht, doch diese Briefe zeigen, dass die Ägypter wissen, was sie tun.«
    »Warum hat Ghazi sich an den Louvre gewandt? Warum hat er nicht direkt in London angefragt?«
    Den Blick auf den Park de la Tête d’Or gerichtet, bereitete Théo sich innerlich auf die Antwort vor. Wer eine große Lüge glaubwürdig vertreten will, braucht vor allem große Intelligenz, sagte er sich.
    »Ghazi ist kein Idiot, und er weiß sicher um die guten Beziehungen zwischen dem Louvre und Interpol. Er hat sich an uns gewandt, weil das ägyptische SCA beabsichtigt, dem Louvre die Grabungsgenehmigung für die Suche nach Echnatons Grab zu erteilen, ein Projekt, über das wir seit Jahren diskutieren.«
    Ghazi habe es vermieden, direkt in London anzurufen, weil die Beziehungen zwischen Ägypten und England aufgrund des Streits um den Rosetta-Stein bereits angespannt waren, und habe den indirekten Weg gewählt, um den Engländern eine Botschaft über Interpol zukommen zu lassen.
    »Jetzt werden Sie verstehen, was wir mit der Sache zu tun haben«, schloss Théo.
    »Ist Ihnen nicht eingefallen, dass Ghazis Anruf ein Bluff gewesen sein könnte? Wissen Sie, was ich glaube, St. Pierre? Ihr Freund Ghazi möchte Sie und uns benutzen, damit wir für ihn überprüfen, wie begründet sein simpler Verdacht ist.«
    »Ich glaube, Sie irren sich. Sagt Ihnen der Name der Anwaltskanzlei Jenkins, Norton & Simons etwas?«
    Das SCA habe die auf das Aufspüren gestohlener Kunstwerke spezialisierte Londoner Kanzlei beauftragt, so Théo, das Foreign Office zu verklagen, falls der MI 6 Ägypten den Papyrus nicht zurückerstattete. Sollte sich England weigern, würde das SCA den Diebstahl beim Art-Loss-Register, dem weltweiten Verzeichnis gestohlener Kunstwerke, eintragen lassen. Die Folgen könne man sich leicht vorstellen.
    »Und das glauben Sie, weil Ghazi es Ihnen gesagt hat?«, fragte Joubert.
    »Ich glaube es, weil ich selbst den Anwalt Jenkins angerufen habe, der mir die Sache persönlich bestätigt hat. Warum rufen Sie ihn nicht auch an?« Selbst überrascht von seiner Dreistigkeit, machte Théo Anstalten, nach seiner Tasche zu greifen. »Ich gebe Ihnen die Telefonnummer …«
    »Lassen Sie’s gut sein.«
    Joubert erhob sich, stellte sich vor das Fenster und schaute hinaus, die Hände hinter dem Rücken gekreuzt. Wieder übermannte Théo dieses Gefühl: Joubert wusste mehr, als er sagte. Aber wie war das möglich?
    »Wie auch immer, St. Pierre, was zum Teufel soll ich Ihrer Meinung nach unternehmen?«
    »Ich dachte, das versteht sich von selbst. Das SCA bittet Sie, den Secret Intelligence Service zu kontaktieren, inoffiziell natürlich, und die Rückgabe des Papyrus zu fordern.«
    »Einmal angenommen, wir spielen mit. Was passiert, wenn London abstreitet, den Papyrus zu besitzen, oder sich weigert, ihn zurückzugeben?«
    »Die Angelegenheit endet vor Gericht, also auch auf den ersten Seiten der Zeitungen. Die Konsequenzen können Sie sich vorstellen.«
    Joubert zuckte mit den Achseln. »Ägypten ist zwar ein islamisches Land, aber es hat keinerlei Interessen an einem Skandal, weder politische noch wirtschaftliche.«
    »Sie unterschätzen den Hass der Ägypter auf Israel – ich erinnere Sie an den Sechstagekrieg – und vor allem ihren Nationalismus als ehemalige englische Kolonie.«
    Joubert seufzte. »Jeder Tag hat sein Kreuz, und es sieht ganz danach aus, als müssten Sie heute mein Kreuz sein. Ich lasse Sie ein paar Minuten allein. Inzwischen lasse ich Ihnen einen Kaffee bringen. Warten Sie hier.« Er ging mit raschen Schritten hinaus.
    Théo trank seinen Kaffee. War er nervös? Ganz und gar nicht. Warum hätte er auch nervös sein sollen? Sicherlich sprach Joubert genau in diesem Moment mit dem großen Boss von Interpol. Was konnten die beiden tun? Ghazi anrufen? In dem Fall wäre seine Karriere als Archäologe beendet. Oder den MI 6 anrufen, um die Rückgabe des Papyrus zu verlangen? Auch in dem Fall wäre die Geschichte am SCA abgeprallt, und der Bluff hätte sich gegen

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