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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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sagte der Priester atemlos. »Der Zustand Seiner Heiligkeit hat sich verschlechtert. Man hat Doktor Antonelli gerufen.«
    »Und?«, fragte Guzman.
    Der Priester schüttelte den Kopf. »Der Arzt sagt, es sei eine Frage von Stunden. Der Heilige Vater wird die Nacht nicht überleben.«
    »Den Wagen, schnell!« Guzman warf den Queue auf den Tisch und lief mit großen Schritten hinaus.
    Miserere … Miserere …

    Taghell beleuchteten die Scheinwerfer der Fernsehkameras die Ostseite der Piazza San Pietro, wo sich bereits eine große Menschenmenge drängte. Ein Mercedes S-600 hielt vor den Bernini-Säulen.
    »Das ist Guzman, der Leiter des Opus Dei!«, sagte jemand.
    Eine Schar Journalisten und Fotografen umringte das Auto. Als der Monsignore ausstieg, empfing ihn ein Blitzlichtgewitter. Auf die Fragen der Journalisten erwiderte er »No comment« und bahnte sich einen Weg durch die Menge bis zum Bronzetor.
    Im dritten Stock schloss er die Tür zum Schlafzimmer des Papstes hinter sich. Ein Geruch nach Alkohol und Medizin lag in der Luft. Er wartete einen Moment, um sich an das Halbdunkel zu gewöhnen. Das Weinen einer Schwester unterstrich die Stille im Zimmer. Er betrachtete die um das Bett versammelten Geistlichen. Schwarz und Purpur, die Farben des Todes. Am Fußende stellte er sich zwischen den Kardinalstaatssekretär und den Kardinalkämmerer, der ihn traurig ansah und den Kopf schüttelte.
    Das Gesicht des polnischen Papstes war weiß wie eine Hostie, erstarrt, die Augen geschlossen. Gelbe Flecken bedeckten die Laken. Richtig. Zum Schwarz und zum Purpur gehörte das Gelb in den Betten der Sterbenden.
    Trauer? Nein, er fühlte nichts. Schon sah er die Schlagzeilen der Zeitungen vor sich und unterdrückte ein sarkastisches Lächeln. Er stellte sich die tonterías vor, die die Weltpresse jetzt über diesen Papst schreiben würde. Törichtes Volk. Wenn die Leute wüssten, was dieser Mann zusammen mit Ottolenghi angerichtet hatte, würden sie nicht ganz so laut weinen. Eines musste man ihm zugestehen: Er war der geborene Schauspieler. Die Drecksarbeit hatte er immer Ottolenghi machen lassen, während er sich höchst geschickt hinter den idyllischen Operettenszenarien versteckt hatte, die das Pressebüro des Vatikans verbreitete.
    Nicht mal ein bisschen Anerkennung? Schließlich hatte er das Opus Dei 1982 zu einer Personalprälatur gemacht. Nein, auch dafür nicht. Er hatte es nur getan, weil er das Opus Dei wieder gut gebrauchen konnte, er und die ganze römische Kurie. Wie hätten sie sich ohne das Opus Dei aus Skandalen wie der Calvi-Affäre herausgewunden?
    Du wagst es, ihn zu richten, ausgerechnet du?, fragte eine Stimme.
    Ich urteile, weil ich weiß, wie die Dinge gelaufen sind.
    Ach ja? Hältst du dich für so viel besser als ihn und Ottolenghi?
    Ich bin, der ich bin, und versuche nicht, anders zu sein. Claro?
    Sag mal, Signor Generalprälat, wie bist du eigentlich der Lump geworden, der du bist?
    Der Monsignore streichelte seine Narbe. Weil ich schon bald begriffen habe, dass man im Leben entweder auf der Seite derer landet, denen der Arsch aufgerissen wird, oder bei denen, die die Peitsche in der Hand haben. Ich habe mich für die mit der Peitsche entschieden. Warum? Hättest du es anders gemacht?
    Die Schluchzer der Schwester übertönten die Stimme. Der Sekretär des Papstes setzte sich neben das Bett und hielt dem Papst die Hand. Mit versteinertem Gesicht stellte sich Ottolenghi hinter den Sekretär und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Seltsam. Der Inquisitor war ein hombre , der Gefühlsbezeugungen und Körperkontakt grundsätzlich mied. Warum diese Geste mit der Hand?
    Auf der anderen Bettseite hob Doktor Antonelli den Kopf und nahm das Stethoskop ab. »Signori, ich bin zutiefst betrübt. Der Heilige Vater ist verschieden.«
    Der Kardinalkämmerer ging zum Kopfende des Bettes und sprach den Papst dreimal mit seinem Taufnamen an, wie das Zeremoniell vorschrieb.
    » Vere papa mortus est «, sagte er dann zu den Anwesenden gewandt.
    Er zog dem Papst den Fischerring mit dem Papstwappen vom Mittelfinger der rechten Hand, ging auf den Kardinalstaatssekretär zu und murmelte etwas vom Datum des Konklaves.

    EBENE VON ROSTAU (GIZEH), WESTLICH VON MEMPHIS, VIERTES JAHR DER REGENTSCHAFT AMENHOTEPS IV.
    Hinter dem Hügel erhob sich die Sonnenscheibe und zeichnete Licht- und Schattenkontraste auf den Boden vor der Sphinx. Der dunkelrote Sand färbte sich orangegelb.
    Eine Uräusschlange reflektierte das Sonnenlicht.

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