Curia
der den abgehauenen Kopf Goliaths an den Haaren hält, ein anderes Moses, während er die Gesetzestafeln zerbricht.
Skrupel? Vorsicht? Kompromisse? Der Monsignore presste die Hände zusammen. »Sei aufrecht. Sei männlich. Und dann … sei ein Engel.« So hatte Pater Escrivá in seinem Buch Der Weg geschrieben. Die Gemeinschaft mit Gott erforderte Charakterstärke, Beharrlichkeit und Kampfgeist. Feiglinge hatten Skrupel, sicher nicht ein Mann wie er, der dazu geboren war, nach Höherem zu streben, natürlich zur Ehre Gottes. Kein Zweifel: Gott liebte die Sieger und verachtete die Verlierer.
Der Monsignore hob den Kopf und betrachtete die Büste von Julius Cäsar aus Carraramarmor mit lorbeerbekränztem Kopf. Oh ja, das war ein Mann nach Gottes Geschmack.
Gut und Böse? Was verstanden die Menschen schon von Gut und Böse? Und die Kirche? Welche Kirche denn? Die des Zweiten Vatikanischen Konzils, die sich an abgeschmackten Worten berauschte: Demokratie, Selbstbestimmung in den Diözesen, theologischer Pluralismus … Verstaubter Kram aus der Französischen Revolution. Gott war ein Despot, und als solcher hasste er Voltaire. Die katholische Kirche war noch nie demokratisch gewesen und würde es auch nie werden.
Gut und Böse erforderten eine eiserne Hand, die, ohne zu zögern, beides zu trennen vermochte … Eine männliche Hand, die Hand eines geborenen Führers, wie die seine … Eine Hand, die die Vernunft vor dem verderblichen Einfluss des Herzens schützte. Das Herz, das Herz … Monsignore schüttelte den Kopf. Das Herz ist, wie El Padre sagte, »ein Verräter, der mit sieben Riegeln gesichert werden muss«. Außerdem, wer hatte es denn jemals erfahren, das Gute?
Seine Hand streichelte die Narbe, die seine linke Wange durchfurchte. Wieder spürte er den Schmerz, den ihm die Gürtelschnalle zugefügt hatte, und eine Dunstwolke abgestandenen Weins verursachte ihm Übelkeit.
»Mierda!«
Ignacios Flüche und das Knallen der Nagelschuhe auf den Stufen im Treppenhaus weckten ihn auf.
Oh, nein! Er hatte schon wieder getrunken. Vicente krümmte sich im Bett zusammen, das Herz klopfte ihm bis zum Hals .
»Was für’n Dreck ist das hier?«, brüllte Ignacio aus der Küche. »Schlimmer als ein Schweinestall. Ich bin der Einzige, der in diesem Laden arbeitet, ihr Parasitenpack . Feliiipa!«
Eilige Schritte erklangen im Flur.
»Was ist los, Ignacio?«, fragte Felipa.
» Maldita puta! Wie oft hab ich dir schon gesagt, dass ich keine aufgehängte Wäsche in der Küche sehen will, hä?«
»Aber die stört dich doch gar nicht. Ich stehe morgen früh auf …«
»Widersprich mir nicht, du Hure! Ich verlange Respekt!« Aus der Küche hörte er zwei Ohrfeigen, dann einen Schrei. »Du hast was gegen mich, wie alle, das sehe ich an deinen Augen. Ich schufte mich tot in diesem Dreckloch von Schlachterei, und du siehst mich an, als wär ich ein Stück Scheiße. Aber jetzt bring ich dir Respekt bei, blöde Kuh.«
Der Lärm von Faustschlägen, Ohrfeigen und Tritten, unterlegt mit Beschimpfungen und Flüchen, vermischte sich mit den erstickten Schreien seiner Mutter.
Er presste mit aller Kraft die Hände auf die Ohren, hielt den Atem an und betete, dass der Albtraum aufhören möge. Aber er hörte nicht auf. Die Wand zitterte. Seine Mutter rief um Hilfe. Er sprang aus dem Bett, eilte in die Küche und stürzte sich auf Ignacio.
»Hör auf!« Vicente traktierte Ignacio mit Fausthieben. »Lass sie in Ruhe, du Vieh! Hör auf!«
Ignacio versetzte ihm einen Schlag, sodass er gegen die Wand prallte. »Sieh an, heute Abend haben wir einen Helden.« Er kam auf ihn zu, mit wässrigen Augen, ein böses Grinsen im Gesicht. »Aber Helden konnte ich noch nie leiden, kleiner cabeza de mierda .«
Er kauerte sich in eine Ecke und hielt die Arme vors Gesicht. Eine Dunstwolke aus Schweiß und billigem Wein stieg ihm ihn die Nase. Ignacio löste den Gürtel.
Diese Hölle hatte es gegeben, seit er denken konnte, und sie dauerte viele Jahre lang. Doch mit der Zeit war er herangewachsen. Mit sechzehn hatte er den Körper eines ausgewachsenen Mannes, er war ein Meter neunzig groß und wog über achtzig Kilo. Sogar die älteren Jungen hatten Angst vor ihm.
»Feliiiipa!«
Vicente stürmte durch den Flur und hielt seine Mutter fest. »Bleib stehen. Ich gehe hin.«
»Nein, ich flehe dich an, Vicente …«
Doch er hatte sie schon zurückgestoßen und war in die Küche gegangen.
»Was willst du?«, fragte Vicente.
»Hau ab, imbécil
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