Curia
Erfahrung sein, in ein Schwarzes Loch gesogen zu werden. Wie konnten Sie überleben? Was haben Sie gespürt? Haben Sie sich an etwas erinnert, als Sie wieder zu sich kamen?«
Mayo fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Was ich erzählen kann, würde Ihnen bloß wie die Wahnvorstellungen eines Irren vorkommen.«
Raisa beugte sich über den Tisch und drückte seinen Arm. »Verstehen Sie denn nicht, dass das ungeheuer wichtig für mich ist? Ich bitte Sie.«
Mayo sah sie einige Augenblicke schweigend an. »Na gut. Aber vergessen Sie nicht, dass Sie mich darum gebeten haben. Drüben ist ein Café mit einer Terrasse. Kommen Sie, ich lade Sie zu einem Kaffee ein.«
Raisa folgte ihm. Die Grenze zur vierten Dimension überschreiten. War das das Geheimnis des weißen Pulvers?
Doch auch wenn es so war, was hatten die Zeitreisen mit der Bibel zu tun? Und warum tötete jemand, um ein Geheimnis zu hüten, das an einem Berührungspunkt zwischen Einsteins Theorien und der Zen-Mystik zu liegen schien? Es sei denn … Wenn die Zeit bei Lichtgeschwindigkeit stehen blieb, war das nicht wie eine Rückkehr zu den Anfängen, als alles begonnen hatte?
Was stand am Nullpunkt der Zeit?
36 Théo kam mit seinem Gepäck aus dem Eingang des Le Meridien. Der Kairoer Smog trübte das Sonnenlicht, und alles war erfüllt vom unablässigen Hupen der Autos. Er blickte auf die Uhr: Kurz vor sieben.
»Théo!«
Mit wehender, rot-weiß karierter Guthra und einem cremefarbenen Thobe kam ihm Khalid entgegen, ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht. Seine Umarmung erdrückte Théo fast, der Bart kratzte. Obwohl Théo einen Meter achtzig groß war, überragte ihn Khalid um Haupteslänge.
Auf dem Weg zum Parkplatz überbrückten sie plaudernd ihre zweijährige Trennungszeit. Wie eh und je fühlte sich Théo von Khalids optimistischem Schwung angesteckt. Für Khalid war nichts unmöglich.
»Wir brauchen kein Hotel zu reservieren«, sagte Khalid. »Wir haben eine Einladung.«
»Eine Einladung von deinen Verwandten?«
»Du rätst nie, von wem. Vom Cousin des Prinzen Zoltan, dem Scheich Ali bin Al Fahd. Er ist einer der reichsten Männer des Landes, aber er lebt in einem Zelt wie die Beduinen. Zufällig hat er es gerade in der Oase von Al-Bad aufgeschlagen.«
»Kennst du ihn?«
»Nein, aber meine Cousins kennen ihn.«
Khalids Verwandte gehörten zum Stamm der Amarat, der befreundet war mit dem Stamm der Beni Sakhr, dessen Oberhaupt der Scheich war. Die Amarat hätten sie gern zu Gast gehabt, aber keiner aus ihrem Stamm lagerte derzeit in der Gegend von Al-Bad. Also hatten sie sich an den Scheich gewandt, und der hatte erklärt, es sei ihm eine Ehre, Théo und Khalid zu beherbergen.
Théo rieb sich den Nasenrücken. »Haben deine Cousins noch mehr erzählt?«
»Ja. Die Leute vom Stamm der Beni Sakhr leben schon seit jeher in der Gegend. Über Al-Bad gibt es viele Legenden, alle handeln von Moses, aber sie stammen aus einer Zeit viele Jahrhunderte vor dem Propheten.« Khalid warf ihm einen scharfen Blick zu. »Diese Miene kenne ich nur allzu gut. Warum tust du nicht, was der Koran sagt? Umarme dein Schicksal mit leichtem Herzen, und nimm Allahs Geschenke lächelnd entgegen.«
»Wirke ich so misstrauisch auf dich?«
»Nicht mal der Wüstenkojote würde die Gastfreundschaft der Beduinen ablehnen.«
»Na gut. Lassen wir uns darauf ein.« Théo zeigte mit dem Finger auf ihn. »Aber wenn etwas schiefgeht, gibst du mir die Handynummer deines Freundes Allah.«
Khalid lud das Gepäck auf seinen Toyota Land Cruiser mit der Aufschrift »Sinai Safari Tours«. Sie folgten den Hinweisschildern zur Schnellstraße nach Sues.
Allmählich wichen die Basare am Nil und die abbruchreifen Wohnhäuser am Stadtrand von Kairo einem Gewirr aus Nilzuflüssen, die sich durch schlammbedeckte Dörfer schlängelten.
»Warum glaubst du, dass sich dieses Grab ausgerechnet in Saudi-Arabien befindet?«
»Weil die Archäologie diesen Schluss nahelegt und die Bibel auch, wenn man zwischen den Zeilen lesen kann.«
Er berichtete Khalid von den Ergebnissen seiner Nachforschungen über den Exodus, angefangen bei Vankos Pergamenten bis hin zu König Josia und dem kollektiven Gedächtnis des Volkes Israel.
»Drei Exodusse? Aber irgendwo muss dieser Moses, wer auch immer er war – möge Allah mir gnädig sein –, doch durchgezogen sein, wenn die Verfasser der Bibel sich von einem tatsächlichen Ereignis anregen ließen. Kannst du mir sagen, welchen Weg er genommen
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