Curia
heraus.«
»Wissen Sie, es ist spät, und ich möchte ihn nicht stören.« Mit einem schmeichlerischen Lächeln schob der Monsignore einen Fünfzigeuroschein über den Tresen. »Wir wollen morgen früh zusammen aufbrechen, und ich weiß nicht, wann ich mich wecken lassen soll.«
Mit einer blitzartigen Bewegung ließ der Hotelangestellte den Schein verschwinden. »Um 06:15 Uhr, mein Herr.«
»Bitte wecken Sie mich um dieselbe Zeit. Ach, und lassen Sie mir eine Flasche Macallan aufs Zimmer bringen. Ohne Eis.«
Als der safragi aus dem Zimmer gegangen war, setzte Guzman sich auf die Bettkante und wählte die Nummer von Pater Pinkus. »Nun, Pater? Wie ist es gelaufen?«
»Ich habe das Tagebuch, und ich habe die Wanze angebracht.«
»Muy bien.«
»Warten Sie, bevor Sie sich freuen, Monsignore. Kaum war ich in mein Zimmer zurückgekehrt – dieser Filippo hat mir ein stockfinsteres Loch im Erdgeschoss untergejubelt –, habe ich im Tagebuch nach den Seiten gesucht, die uns interessieren. Und da kam die böse Überraschung. Zwei Seiten fehlen, sie sind rausgerissen. Es sind die vom 31. August und vom 1. September, drei Tage vor dem Tod.«
»Und der Rest des Tagebuchs?«
Es klopfte an der Tür, der safragi mit dem Whisky. Guzman bedeutete ihm, die Flasche auf dem Tischchen abzustellen und ein Glas einzuschenken. Dann reichte er ihm einen Zehneuroschein.
»Monsignore, im restlichen Tagebuch gibt es keine Spur von Ottolenghi. Es müssen die beiden fehlenden Seiten sein.«
Guzman trank ein halbes Glas Macallan. »Inzwischen hat der Inquisitor wahrscheinlich schon hundertsechzehn Fotokopien gemacht und sie an alle Kardinäle verteilt. Pater, wir gehen zur zweiten Phase des Plans über.«
»Wa-Wann?«
»Noch heute Nacht. Sind die Briefe fertig?«
»Ich habe sie bei mir.«
»Warten Sie die ersten Morgenstunden ab, damit Sie sicher sein können, dass alles schläft, dann verfahren Sie wie vereinbart.«
»Ich habe es geahnt«, sagte Pater Pinkus mit schwacher Stimme. »Mein Gott, hoffentlich laufe ich Pater Filippo nicht über den Weg. Ich habe Fra Anselmo gesagt, er soll ihm eine doppelte, gut gepfefferte Ration servieren und ihm eine Flasche Corvo di Salaparuta auf den Tisch stellen – die hat dieser Schuft mich sogar bezahlen lassen.«
Der Monsignore schenkte sich nach. Caramba , wo nahm er jetzt eine chiquita her? Er hob die Augen zur Decke und breitete die Arme aus. Herr, auch der heilige Matthäus sagt: »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.«
Der Angestellte an der Rezeption? Der hatte das Gesicht eines geborenen Kupplers. Er leerte das Glas und ging hinaus.
Raisa blickte sich um, betrat eine Telefonzelle an der Strandpromenade von Blonville-sur-Mer und wählte eine Nummer.
»Doktor Mayo? … Etwas Unglaubliches ist passiert?«
»Nicht am Telefon. Können Sie nicht auf einen Sprung nach Montpellier kommen?«
»Wann?«
»So bald wie möglich.«
Raisa sah auf ihre Uhr. 14:20 Uhr. Vielleicht schaffte sie es noch, in Caen ein Flugzeug zu nehmen. »Morgen Vormittag um neun?«
»Ich erwarte Sie.«
Als Raisa aus dem Fahrstuhl trat, erwartete Ken Mayo sie auf dem Treppenabsatz. Mit seiner schlanken Figur, dem offenen Hemd und den Jeans sah er aus wie die jungen Pfleger, die durch die Gänge der Salpêtrière flitzten. Nur die Falten in seinem scharf geschnittenen Gesicht und die grauen Strähnen im Haar verrieten sein Alter.
Sie setzten sich in einen kleinen, mit viel Chrom und Glas gestalteten Versammlungsraum, aseptisch wie ein Krankenhauszimmer. Durch das Fenster sah man in der Ferne die beiden Türme der Kathedrale Saint-Pierre.
»Was ist passiert?«, fragte Raisa.
»Etwas Unglaubliches.«
Er erzählte, was bei der thermogravimetrischen Analyse des Pulvers passiert war.
»Als ich wieder zu mir kam, war ich mir sicher, dass ich stundenlang bewusstlos gewesen sein musste.«
Er hatte auf die Uhr geschaut. Sowohl seine Armbanduhr als auch die Wanduhr hatten 19:51 Uhr gezeigt, ungefähr die Zeit, in der es passiert war. Ungläubig hatte er die Zeit auf der Wanduhr im Labor nebenan kontrolliert.
»Diese Uhr und die Uhren in allen anderen Labors auf unserem Stockwerk zeigten 02:07 Uhr morgens. Ich war also über sechs Stunden lang bewusstlos. Was hätten Sie an meiner Stelle gedacht?«
»Sind die Uhren alle batteriebetrieben?«
»Ja.«
»Nun, ich hätte wahrscheinlich gedacht, dass diese Lichtexplosion aus irgendeinem Grund, wegen eines elektromagnetischen Feldes oder etwas
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