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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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sandte ein regelmäßiges Piepen.

    EIN TAL AM OSTUFER DES NILS AUF HALBEM WEGE ZWISCHEN THEBEN UND MEMPHIS, FÜNFTES JAHR DER REGENTSCHAFT ECHNATONS
    Die Ruder durchschnitten den Wasserspiegel und tauchten triefend wieder auf, um sich im Rhythmus des Gongs eines Matrosen wieder ins Wasser zu senken.
    Aber es muss hier sein , dachte Nepher, der am Bug stand und prüfend das Ostufer betrachtete. Ich habe es nicht nur geträumt. Ich war dort und bei klarem Verstand. Es war eine Nillandschaft.
    Der Nil wurde breiter und zeichnete ein lang gezogenes S. Nachdem sie einen Flussabschnitt hinter sich gelassen hatten, der zwischen zwei Inseln hindurchlief, wurden die Felsen am Ostufer von Schilf- und Papyrussümpfen abgelöst, aus denen einzelne Hütten herausragten. Das Licht der Morgenröte erhellte ein längliches Tal, das von einem Halbkreis aus Sandsteinhügeln umschlossen wurde. Nephers Blick wanderte an den Hügelkämmen entlang. Die Sonne kam hervor.
    Das Gestirn stieg direkt über einem vertikalen Spalt zwischen zwei Hügelgruppen auf. Nepher klammerte sich an der Bootswand fest. Die Hügelumrisse und die Sonne schienen die Hieroglyphe des Wortes akhet , Horizont, zu zeichnen. Er dachte an das große Wandgemälde im heiligsten Bezirk des Hauses des Phönix. Im ersten Morgengrauen des Zep Tepi war Amun-Ra an einem ganz ähnlichen Ort aufgegangen. War das eine Botschaft des Gottes?
    »Bootsführer, wir legen an.« Nepher zeigte mit der Hand auf das Ufer. »Dort, vor diesem Sumpf.«
    »Zu Befehl, Hoheit.«
    Es knirschte, als zwei Matrosen das Steuerruder mitten auf dem Deck herumdrehten und der Bug sich in Richtung Ufer wandte. Eine Sandbank verwehrte ihnen, näher am Ufer anzulegen. Der Anker fiel mit einem dumpfen Geräusch ins Wasser, und das Rasseln seiner Kette übertönte die Befehle des Kapitäns.
    Nepher lehnte eine Eskorte ab, er bat nur Thutmosis, ihn an Land zu begleiten und sein Schreibwerkzeug mitzunehmen. Der Kapitän ließ ein Kanu aus Schilf zu Wasser, und eine Strickleiter wurde über die Bootswand geworfen. Zwei Matrosen stiegen über die Reling und kletterten über die Leiter nach unten. Nepher und Thutmosis folgten ihnen.
    Das Kanu hatte sich gerade vom Schiff abgestoßen, als sie ein Brüllen aus der Höhe hörten. Nepher blickte auf und begegnete den Augen Ras.
    »Los, Ra, spring!« Nepher forderte das Tier mit einer Handbewegung auf, ihm zu folgen.
    Der Löwe blieb zögernd auf dem Deck stehen, dann nahm er Anlauf und sprang unter den erstaunten Blicken der Matrosen über die Reling ins Wasser. Schaumkronen stiegen auf, als er unter der Oberfläche verschwand. Wenig später tauchte er in der Nähe des Kanus wieder auf, den bernsteinfarbenen Kopf hoch erhoben, auf der Wasseroberfläche auf- und niederschaukelnd.
    Die beiden Matrosen ruderten mit langen Stechpaddeln, einer stand an der Spitze des Kanus, einer hinten. Das Kanu glitt zwischen dem Schilfrohr hindurch. Plötzlich flog ein aschgrauer Reiher aus dem Röhricht auf, sein Flügelschlagen hallte über das Ufer. Ra stieg aus dem Wasser und schüttelte seine Mähne. Nepher sprang an das sandige Ufer, gefolgt von Thutmosis, und befahl den Matrosen, an dieser Stelle auf sie zu warten.
    Sie gingen durch einen ausgetrockneten Flusslauf aus rötlichem Sand und marschierten auf die Sonne zu. Das einzige Geräusch war das Knirschen kleiner Steine unter ihren Papyrussandalen. Am Himmel ertönten Schreie, Nepher blickte auf. Der Reiher aus dem Röhricht schien ihnen zu folgen, er zog weite Kreise am Himmel. Dann entfernte er sich, auf die Sonne zufliegend, als gehorche er einem Ruf. Nepher dachte an den auf die Wände gemalten Phönix im Haus des Phönix. Dieselbe Form, dieselbe aschgraue Farbe.
    Jetzt erschien die Sonne in ihrer ganzen Größe zwischen zwei Hügeln und tauchte die Talsohle in ein orangefarbenes Licht. In der Ferne zog der Reiher einen weiten Kreis und kehrte zurück. Seine dunkle Silhouette zeichnete sich vor der Sonnenscheibe ab, die Flügel schlugen langsam. Plötzlich flog der Vogel einen Halbkreis, begann zu gleiten und zielte dann im Sturzflug direkt auf die beiden Männer.
    »Hoheit, der kommt auf uns zu!« Thutmosis warf sich auf den Boden.
    Nepher blieb reglos stehen, den Blick starr auf den Vogel gerichtet. Der Reiher streifte wenige Ellen vor ihnen den Boden, sträubte die Halsfedern und flog, Nephers Haare berührend, wieder zum Himmel auf.
    »Hoheit … War das ein Zeichen der Götter?«, fragte Thutmosis, den Flug des

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