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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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spielen. Théo blieb stehen, um zuzuhören. Jemand sang leise: » Waltzing Matilda, Waltzing Matilda, who’ll come a-Waltzing Matilda with me ?« Die Melodie stieg zwischen den Palmen auf und verlor sich in den sonnenbeschienenen Gassen des Dorfes.
    Khalid stellte einen Radiosender ein, der ägyptische Lieder brachte. »In letzter Zeit hatten wir in Kairo eine Menge Anfragen von Touristen, die um jeden Preis die Gegend der Amariseen besichtigen wollten. Alle sagten, sie wollten die Stelle finden, wo Moses das Rote Meer durchquert hat.«
    Das begehrteste Ziel sei der Timsahsee. Manche hätten sich sogar ein Boot und eine Taucherausrüstung geliehen, um nach Überresten des ägyptischen Heeres zu suchen. Niemand habe je etwas gefunden.
    »Würdest du sagen, dass der Timsahsee beliebter ist als der Golf von Sues oder der von Aqaba?«
    »Nein, diese beiden Ziele sind immer noch meine beste Einkommensquelle. Die beliebteste Stelle ist im Moment die Meerenge von Tiran am Eingang zum Golf von Aqaba. Das liegt sicher daran, dass ein Amerikaner das Foto vom Rad eines ägyptischen Karrens ins Internet gestellt hat, das zwischen Korallen auf dem Meeresgrund liegt. Wie erklärst du dir dieses Interesse an den Amariseen?«
    Théo grinste. »Das ›Wunder vom Roten Meer‹ ist der größte Übersetzungsfehler der Menschheitsgeschichte. Aber es ist auch die dreisteste Lüge des Juden- und des Christentums seit zweitausend Jahren.«
    »Was meinst du damit?«
    »Im hebräischen Originaltext der Bibel steht nichts davon, dass Moses durch das Rote Meer gezogen ist.«
    Khalid sah ihn verblüfft an. »Was sagst du da, Théo?«
    »Alles begann mit einer falschen Übersetzung der Septuaginta, aber der Fehler war gewollt.«
    Die Gelehrten übersetzten das hebräische Wort Yam Suph nicht etwa mit »Schilfmeer«, wie es richtig gewesen wäre, denn das Wort suph bedeutete »Schilfrohr« oder »Binsen« und das Wort yam »Meer« oder »große Wasserfläche«. Nein, sie nahmen dafür den griechischen Begriff Eruthra Thalassa , also Rotes Meer.
    »Warum war der Fehler gewollt, wie du sagst?«
    »Die Weisen wollten das ›Wunder‹ von der Teilung der Wasser als göttliches Eingreifen darstellen. Aber die Wasser eines Meeres und die eines schlammigen kleinen Sees zu teilen ist doch wohl nicht das Gleiche, was meinst du?«
    »Warum taten sie das? Wollten sie mit ihrem Gott angeben?«
    Théo lachte. »Genau. Zur Zeit Ptolemaios II. waren die Juden, auch die in Alexandrien, bei den Einwohnern mit hellenischen Traditionen schlecht angesehen. Die Übersetzer manipulierten einige Stellen in ihrer Übersetzung, um die Ägypter des Ptolemaios mit der Macht des Gottes Israels zu beeindrucken.«
    »Und das will die Kirche niemals bemerkt haben?«, wollte Khalid wissen.
    »Natürlich hat sie es bemerkt«, erwiderte Théo, »und zwar schon bevor Theophilos die Bibliothek von Alexandria niederbrennen ließ, wo die Übersetzung mit einer Kopie des Originaltextes – also dem Beweis für die Fälschung – aufbewahrt wurde. Aber keiner hat etwas gesagt.«
    Und so sei der Fehler in die Vulgata geraten, die im 5. Jahrhundert nach Christus angefertigte Übersetzung der Septuaginta ins Lateinische, wo aus Eruthra Thalassa das »Mare Rubrum«, das Rote Meer, wurde.
    »Aber wie kommst du darauf, dass das Schilfmeer einer der Amariseen sei? Könnte es nicht wirklich das Rote Meer gewesen sein?«
    »Hast du schon mal Binsen oder Schilf gesehen, das im Salzwasser wächst?«
    »Stimmt.«
    »Unter den sechs Seen kommt nur der See Timsah infrage, der in der Mitte.«
    Bevor der See Timsah vom Sueskanal durchquert wurde, war er ein Süßwassersee, an dessen Ufern seit jeher Schilfrohr und Binsen wuchsen.
    »Wenn der Durchzug durchs ›Rote Meer‹ nicht reine Erfindung wäre«, fuhr Théo fort, »hätten Archäologen entweder auf dem Grund eines der Amariseen oder im Golf von Sues oder im Golf von Aqaba Beweise für den Durchzug finden müssen.«
    Er zitierte aus 14,7 und 14,28 des Exodus: »Sechshundert auserlesene Streitwagen nahm er mit und alle anderen Streitwagen der Ägypter … Das Wasser kehrte zurück und bedeckte Wagen und Reiter, die ganze Streitmacht des Pharao … Nicht ein Einziger von ihnen blieb übrig.«
    »Wie viele Soldaten und Karren mag der Pharao dabeigehabt haben?«
    »Mindestens zweitausend Karren und fünf Infanteriedivisionen. Was hat man nach fünfzig Jahren Grabungen bis heute gefunden?«
    »Das Rad des Amerikaners.«
    Gegen ein Uhr fuhren sie am

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