Curia
steigt aus dem Park der Burganlage ein Hubschrauber auf, um das Glacis zu überwachen.«
Der Alarm wurde an eine Polizeiwache übermittelt, die fünf Autominuten entfernt lag, ganz zu schweigen von der Sirene, die halb Den Haag wecken würde.
»Und Ihr De Vries glaubt, er schafft es, da hineinzukommen?«
»Er ist überzeugt davon und ich auch, sonst hätte ich ihn nicht ausgesucht.«
»Warum haben Sie so großes Vertrauen in ihn?«
»Dominici, spielen Sie Schach?«
»Nein, was hast das damit zu tun?«
»Wenn Sie Schach spielten, würde der Name Theodorus De Vries Ihnen etwas sagen. Er hat die letzte Schachweltmeisterschaft in Casablanca gewonnen.«
Joubert hatte De Vries bei ihrer ersten Begegnung gefragt, warum ihn keiner je hatte schnappen können. De Vries hatte geantwortet, das liege nur am Schachspiel. Er könne mindestens fünf Züge seines Gegners nebst allen dazugehörigen Varianten voraussehen, und diese mentalen Fähigkeiten setze er auch bei seinem nächtlichen »Hobby« ein.
»Ergebnis: Seine Pläne sind perfekt, sagt er. Er sieht immer alles voraus, auch das Unvorhersehbare.«
»Ich fürchte, fünf Züge werden nicht genügen, um dort hineinzukommen.«
»Er sagt, das Geheimnis eines siegreichen Schachspiels liege in der Eröffnung, und der beste Anfangszug sei immer der des Pferdes.«
»Um in diese Burg einzudringen, braucht man wohl eher ein Trojanisches Pferd als eine Eröffnung mit dem Pferd.«
»Tatsächlich hat De Vries ein Trojanisches Pferd. Einen Maulwurf, in der Burg selbst. Es ist der Buchhalter. Er hat ihm die Zugangscodes versprochen und eine Kopie des Schlüssels, der die Infrarotstrahlung ausschaltet.«
»Gegen Geld?«, fragte Dominici.
»Nein. Offenbar ist der Buchhalter ein Schachfan und himmelt De Vries an.«
»Und er tut das alles … für nichts?«
»Das nun nicht. Ich darf De Vries zitieren … wie hat er noch gleich gesagt? Ach ja: ›Cäsars Lorbeerkranz ist das stärkste Aphrodisiakum der Welt.‹ Wissen Sie, was dieser Verrückte macht? Er hat dem Buchhalter versprochen, ihm das Geheimnis der Züge in Casablanca zu verraten.«
»Wenn ich wieder in Rom bin, muss ich wohl auch mit dem Schachspielen anfangen.«
»Wo bleibt der Informatiker, den Sie mir versprochen haben? De Vries braucht mindestens drei Tage, um ihm beizubringen, was er zu tun hat.«
»Er kommt heute Abend in Leiden an. Sein Name ist Gianni Carlomagno.«
Nachdem sie das Gepäck in ihren Zelten untergebracht hatten, folgten Khalid und Théo dem Beduinen, der sie unter seine Obhut genommen zu haben schien.
Vor einem großen L-förmigen Zelt, das etwas abseits aufgeschlagen war, blieben sie stehen. Unter Palmen parkte ein giftgrüner Bentley Continental, und neben dem Auto war ein Kamel angebunden, das silbernes Zaumzeug und einen kunstvoll verzierten Sattel. Am Eingang standen zwei Männer unter einem roten Baldachin Wache, jeder mit einem Gewehr im Arm und einem Patronengürtel über der Brust.
Der Beduine sprach mit den Wächtern, worauf sie Théo und Khalid misstrauisch taxierten. Einer verschwand im Zelt. Er kehrte gleich darauf zurück, schlug die vor dem Eingang hängenden Vorhänge zurück und bedeutete ihnen einzutreten.
Im Inneren herrschte weihevolle Stille, Petroleumlampen verbreiteten ein schwaches Licht. Das Zelt quoll über von Teppichen mit gewirkten Arabesken und Kissen aus Schaffell, an Kamelsättel gelehnt.
Der Scheich Ali Bin Al Fahd saß an einem Louis-XVI-Schreibtisch aus Nussbaum vor einem Computer. Er erhob sich und kam ihnen entgegen. Das Lampenlicht spielte über sein Raubvogelgesicht, das von einer makellos weißen Kufija umrahmt wurde. Er trug eine braune Galabija mit vergoldeten Säumen.
»Möge der Friede Allahs mit euch sein.« Der Scheich deutete eine Verbeugung an und legte die Hände zusammen.
Auf einer Sitzstange saß ein Jagdfalke mit Kopfhaube und stieß einen Schrei aus.
»Und möge er gleichfalls mit dir sein«, sagten Théo und Khalid.
Der Scheich bat sie mit einer Handbewegung, auf einem Teppich Platz zu nehmen. Dann klatschte er zweimal in die Hände. Ein Beduine trat ein, verbeugte sich und stellte Wasser zum Kochen auf ein Kohlebecken.
In fließendem Französisch erkundigte sich der Scheich nach ihrer Reise, während er sie mit seinen schwarzen Augen forschend musterte. Ein Duft nach Kaffee und Kardamom wehte durch das Zelt. Der Beduine servierte den Kaffee, den er aus einer Kanne mit langem Hals in henkellose Porzellantässchen auf einem
Weitere Kostenlose Bücher