Curia
Legenden.«
»War er es?«
Die Lippen des Scheichs zeichneten einen Ausdruck des Widerwillens. »Ja, das war er, mündlicher Überlieferung zufolge.«
In diesem Augenblick begriff Théo, was Carter empfunden haben musste, als die Flamme seiner Kerze nach dreiunddreißig Jahrhunderten Dunkelheit die Vorkammer des Grabes von Tutanchamun erhellte. Jetzt fehlte nur noch ein Stück, und das Puzzle um Jahwe war vollständig.
»Der Vulkan Harrat ar Rahah ist von allen Vulkanen Saudi-Arabiens am weitesten nordöstlich gelegen.« Théo zeigte auf die moderne Karte. »Wie weit ist er von Al-Bad entfernt?«
»Etwa vierzig Kilometer.«
»Die Keniter von Madyan verehrten einen Vulkangott. In Anbetracht der geringen Entfernung kann es nur der Harrat ar Rahah gewesen sein. Habe ich recht?«
»Die Beduinen haben den Zorn dieses Vulkans nie vergessen«, sagte der Scheich. »Ihre Erzählungen am nächtlichen Lagerfeuer erinnern noch immer voller Furcht daran.«
Bei diesen Worten fiel Théo ein, was Raisa in ihrem Vortrag über Moses gesagt hatte: Freud schrieb außerdem, dass der biblische Jahwe die mythische Verkörperung eines grausamen, herrschsüchtigen Vulkangottes sei, der von einigen Nomadenstämmen im Land Midian im Norden des jetzigen Saudi-Arabien verehrt wurde .
»Wie nannten die Keniter diesen Gott?«
Der Blick des Scheichs schien sich zwischen den Licht- und Schattenspielen zu verlieren, die durch den Zeltstoff auf den Boden geworfen wurden.
»Yahu. Sein Name war Yahu.«
Théo wechselte einen Blick mit Khalid. Aus dem Lager erhob sich eine leiernde Stimme: »Allah ist groß! Es gibt keinen anderen Gott außer Allah!«
»Monsieur St. Pierre, warum verraten Sie mir nicht, was Sie suchen? Wenn Sie mir etwas sagen, könnte ich Ihnen etwas sagen, so würden wir aufhören, Katz und Maus zu spielen.«
Théo betrachtete die beiden Karten. Dieser Mann war ungreifbar wie der Wüstensand, aber er brauchte eine Antwort. Jetzt, wo die Lösung in unmittelbarer Reichweite vor ihm lag, war der Preis der Sicherheit zu hoch geworden.
»Ich suche die Spuren eines ägyptischen Pharaos.«
Langsam und schweigend trank der Scheich seinen Kaffee aus. »Welcher Pharao?«
»Echnaton. Das ist ein Pharao, der …«
»Ich weiß, wer Echnaton war, St. Pierre, auch wenn ich in einem Zelt lebe. Ich habe meinen Doktor in Alter Geschichte an der Universität Riad gemacht.« Der Scheich sah ihn mit wachsamen Augen an. »Wie kommen Sie darauf, dass Echnaton sich im Land Midian aufgehalten haben soll?«
Théo zog Vankos ägyptische Kette aus der Mappe und hob sie hoch. In dem Medaillon spiegelte sich glitzernd die Flamme einer Lampe.
»Gibt es unter den Petroglyphen, die man in der Gegend um Al-Bad gefunden hat, Ihres Wissens auch Zeichnungen mit diesem Symbol?«
Der Scheich starrte das Medaillon mit weit geöffneten Augen an. »Darf ich?« Er streckte die Hand aus.
Théo beugte sich vor und reichte ihm die Kette.
»Woher stammt das?«
»Ich weiß es nicht. Ich habe es im Vatikan gefunden.«
Der Scheich fixierte Théo misstrauisch, dann gab er ihm die Kette zurück. »Bitte entschuldigen Sie mich einen Moment.« Er stand auf und verschwand im Hintergrund des Zeltes.
»Verdammter Idiot!«, flüsterte Khalid, zu Théo vorgebeugt, und packte ihn am Arm. »Der Kerl ist weniger vertrauenswürdig als Jago, und er ist der Cousin von Prinz Zoltan. Du nutzt Allahs Geduld über Gebühr aus!«
»Wegen ein paar kleiner Fragen?«
»Ein paar kleine Fragen? Das hier ist wie ein Verhör beim KGB! Zum Glück sind wir Gäste, und nach dem Gesetz der Wüste sind wir unantastbar.«
Der Scheich kehrte zurück. Er setzte sich und öffnete eine Schatulle mit islamischen Motiven aus elfenbeinernen Intarsien. Mit ehrfürchtigen Gesten zog er ein schwarzes Seidentuch aus der Schatulle, rollte es auf und zeigte es ihnen.
In der Mitte des mit Silber- und Goldfäden bestickten Stoffs prangte eingewebt die Sonnenscheibe, das Sinnbild Atons. Théo betrachtete die Zeichnung im Inneren der Scheibe. Ein Felsen, durch den ein Tunnel führte – dasselbe Motiv wie auf Vankos Medaillon. Von der Scheibe gingen sieben Arme mit winzigen Händen aus, die jede das ankh hielten. Auf den unteren Rand des Tuchs war ein Satz auf Arabisch gestickt.
»Dieses Tuch ist viele Jahrhunderte alt«, sagte der Scheich, »aber der Überlieferung der Beni Sakhr zufolge stammen die Zeichnung und der Text aus der Zeit der Keniter.«
Unverwandt starrte Théo auf das eingewirkte
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