Curia
Löcher, Umzäunungen und Steinhaufen, aber nirgendwo Zeichen einer archäologischen Ausgrabungsstätte.
»Wenn es hier Tempel oder Gräber gegeben hätte«, sagte Théo, »hätten sogar diese Typen inzwischen etwas gefunden. Dies sieht mir eher nach Schützengräben aus als nach archäologischen Grabungen.«
»Aber wenn Echnaton hier gewesen ist, wird er doch wenigstens einen Tempel zu Ehren Atons erbaut haben.«
»Er könnte gleich nach seiner Ankunft gestorben sein.«
Théo sprang von dem Felsvorsprung und richtete das Fernglas auf die Zinne. Trotz der perfekten Kreisform des Eingangslochs schien die Oberfläche im Inneren unregelmäßig.
»Was sagst du dazu?« Khalid zeigte auf das Loch. »Ist das ein Werk von Menschen?«
»Schwer zu sagen. Das Wichtigste ist der Aton. Das direkt unter dem Loch eingeritzte Symbol ist der Beweis, dass dieses Loch die Aufmerksamkeit von Echnatons Anhängern erregt hat und dass sie etwas damit verbanden.«
»Und was war das?«
»Diese Zinne erinnert mich an die Megalithen in Stonehenge.«
»Ist das nicht eine Art riesiger Sonnenkalender?«
»Genau. Sie sind über fünftausend Jahre alt, zeigen aber noch immer präzise die Winter- und Sommersonnenwende an.«
»Was die Ausrichtung von Bauwerken nach den Sternen angeht, sind wir Ägypter immer noch unübertroffen. Denk nur an die Große Pyramide und wie sich die Grabnischen in der Kammer des Königs am Orion ausrichten.«
Théo blickte wieder zu der Zinne auf. Die Grabnischen in der Kammer des Königs: ein unvergleichliches Zeugnis des Glaubens der Ägypter an die Unsterblichkeit. Die Lage des Grabes war am Lauf der Sonne orientiert.
»Aber natürlich, Khalid!« Théo packte ihn am Arm. »Das bedeutet das Loch: eine Ausrichtung nach der Sonne. Mit welchem Stern wenn nicht mit der Sonne hätte Echnaton sich im Totenland des Westens wohl vereinigen wollen?«
Khalid kratzte sich den Bart. »Kam mir gar nicht so vor, als hätte ich was besonders Kluges gesagt. Oder vielleicht war es so klug, dass ich mich selbst nicht verstanden habe. Darf man erfahren, woran du denkst?«
»An den Ramses-Tempel, den in Abu Simbel.«
»Eine Ausrichtung von Echnatons Grab nach der Sonne?«
»Was sonst?«
Ramses II. hatte den Tempel in Abu Simbel an einer Bergflanke in Richtung Osten erbauen lassen, sodass an zwei Tagen im Jahr, den Daten seiner Geburt und seiner Krönung, bei Sonnenaufgang ein Sonnenstrahl in das Sanktuarium im Inneren des Tempels fiel und seine Statue beleuchtete.
»Und das geschieht schon seit über dreitausend Jahren.«
Khalid studierte die Spitze der Bergzinne. »Ich kann nichts erkennen.« Er ging ein paar Schritte vor, dann zurück, verwirrt um sich blickend. »Wo soll denn diese Ausrichtung sein?«
»Warte einen Moment.«
Théo kletterte wieder auf den Felsvorsprung. Die Sonnenscheibe strahlte in ihrer vollen Größe über den zwei Spitzen des Al-Manifa. Sein Blick folgte dem Schatten, den die Zinne auf den Grund des Wadi und das stufenförmige Felsmassiv warf. Da war es. Die Sonnenstrahlen, die durch das Loch im Felsen drangen, zeichneten am Fuß des Massivs einen Lichtkreis auf den Schatten der Zinne. Er ging zu Khalid zurück und zeigte ihm den Kreis.
Khalid wollte durch das Fernglas in die Richtung schauen, aber Théos Blick hielt ihn zurück. Théo wies mit dem Kopf auf Rakan. Der Beduine kauerte im Schatten, das Gewehr quer über die Knie gelegt, und ließ sie keine Sekunde aus den Augen.
»Tu so, als wäre nichts«, sagte Théo.
»Für mich sieht das aus wie ein kompakter Felsblock. Ich wüsste wirklich nicht, wie jemand ein Grab in diese Wand hätte graben können.«
»Was mögen die beiden einander zu sagen haben?«, murmelte Monsignore Guzman, hinter einem Stein auf dem Gipfel eines Hügels liegend, das Zeiss-Fernglas auf das Tal gerichtet.
»Gib mir das Glas«, brummte Al Kaddafi.
Guzman reichte ihm das Fernglas.
»Sollen die sich doch ruhig umgucken. Die Archäologen von Riad haben überall gegraben«, sagte Al Kaddafi.
»Wie oft soll ich dir noch sagen, dass der Mann nicht zu unterschätzen ist?«
Théo sah auf seine Uhr, dann zur Sonne. »Die Sonne ist vor ein paar Stunden aufgegangen. Wenn sie hervorkommt, müsste der Strahl höher fallen, aber wie hoch, kann ich nicht sagen.«
»Glaubst du, das Grab ist in der Felswand dort versteckt, auf der Höhe einer der Stufen?«
»Wir müssen bei Sonnenaufgang zurückkommen, um zu überprüfen, wo die Sonne hinfällt.«
»Ich hätte nie
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