Curia
gedacht, dass es so einfach sein würde.«
»Nein, Khalid. Das Grab kann nicht dort sein.«
»Warum nicht? Wenn der Eingang zum Grab nach der Sonne ausgerichtet ist, muss es auf jeden Fall dort sein.«
»Das gilt nur für den Sonnenaufgang eines bestimmten Tages im Jahr.«
Bei jedem anderen Pharao wäre dieser Tag ein Jubiläum wie der Krönungstag oder ein militärischer Sieg gewesen. Bei Echnaton aber, einem von mystischen Überzeugungen durchdrungenen Pharao, musste der Anlass spiritueller Art sein, vielleicht etwas, was mit dem Aton-Kult zusammenhing.
»Aber was das ist, weiß ich wirklich nicht.«
»Hm, können wir uns nicht etwas einfallen lassen? Das Datum der Gründung von Achet-Aton zum Beispiel.«
»Horemheb ließ alle Spuren Echnatons auf sämtlichen Monumenten Ägyptens auslöschen, darum wissen wir recht wenig über ihn.« Théo schob seinen Strohhut zurück und trocknete sich den Schweiß auf der Stirn. »Wenn wir dieses Datum kennen würden, wären die Korrekturen einfach.«
»Welche Korrekturen?«
»Eine, um das Datum vom ägyptischen Kalender auf den gregorianischen zu übertragen, und eine weitere, die den unterschiedlichen Neigungswinkel der Sonne berücksichtigt.«
»Wenn ich das bloß höre, dreht sich mir der Magen um«, sagte Khalid mit schmerzverzerrter Miene. »Könntest du denn solche Berechnungen anstellen?«
»Dafür gibt es Computerprogramme.«
»Und wenn wir die Korrekturen haben?«
»Dann würden wir zwei Winkel bekommen. Einen für den Breitengrad und einen für den Längengrad. Man müsste nur noch mit einem Theodolit auf den Punkt der Ausrichtung nach der Sonne zielen und die neuen Werte eingeben. Das Instrument würde sich automatisch auf den neuen Punkt des Einfalls der Sonnenstrahlen einstellen.«
»Théo, glaubst du wirklich, dass das Grab hier in der Nähe liegt?«
»Es ist in diesem Tal, da bin ich mir sicher, und zwar in einem Umkreis von ein paar hundert Metern um dieses Massiv.« Théos Blick irrte durch das Wadi. »Aber ohne dieses Datum finden wir das Grab nie.« Er setzte sich auf einen Felsblock, nahm seinen Hut ab und schlug ihn gegen den Stein. »Merde!« Dann fiel sein Blick auf den GPS-Sender an seinem Handgelenk. »Wir fangen auf jeden Fall einmal damit an, die Lage dieses Massivs zu bestimmen.« Mit einer Kopfbewegung wies er auf Rakan. »Was machen wir mit dem da?«
»Man müsste ihn ablenken.«
Théo rieb sich den Nasenrücken. »Ich hätte da eine Idee.«
»Barmherziger Allah, ich bin in deinen Händen.«
»Ich wette, Rakan ist ein Liebhaber italienischer Opern.«
Khalids Augen blitzen auf. »Ich hole sofort die Flöte. Ein Werk des Maestro mitten in der Wüste!«
»Ich meinte Gesang.«
»Ich bin ein Künstler und singe nicht auf Kommando!« Khalids Stimme wurde scharf. »Ich brauche Inspiration, verstanden?« Mit diesen Worten marschierte er auf den Toyota zu.
Théo fing an, im Wadi herumzuwandern, von Zeit zu Zeit blieb er wie zufällig stehen.
Mit der Flöte in der Hand erklomm Khalid einen hoch aufragenden Felsvorsprung hinter Rakan. Er setzte die Flöte an, und die Melodie von Che gelida manina tönte durch das Wadi Hurab. Der Beduine drehte sich um und blickte zu Khalid auf.
Khalid breitete theatralisch die Arme aus. » Che gelida maninaaa, se la lasci riscaldar. Cercar, che giovaaa? Al buio non si trovaaa …«
Unterdessen eilte Théo auf das stufenförmige Bergmassiv zu. Er blickte zurück zu Rakan. Der Araber drehte ihm immer noch den Rücken zu, die Bohème schien ihn zu fesseln.
Khalid beugte sich zu Rakan vor wie ein Fakir vor einer Schlange. » Aspetti, signorina, le dirò con due parole. Chi son? Sono un poetaaa. Che cosa facciooo? Scrivooo …«
Théo kletterte das Massiv hinauf. Auf der ersten Stufe angekommen, drückte er eine Taste des GPS . Auf dem Display erschienen die Längen- und Breitengrade. Mit einem Tastendruck speicherte er sie. Beim Hinunterklettern rutschte er mit einem Fuß aus. Er klammerte sich an den Felsen, mit einem Bein über dem Abgrund baumelnd, bis er wieder Halt fand. In dem Moment, als er auf den Boden sprang, dröhnte das Knattern von Hubschrauberflügeln durch das Wadi und übertönte Khalids Gesang.
Über dem Hügelkamm tauchte ein blau-weißer Bell 214 auf. Einige Augenblicke lang schien der Hubschrauber in der Luft zu schweben, als dächte der Pilot über die Route nach, dann flog er direkt auf den Durchbohrten Felsen zu.
Khalid verbeugte sich vor Rakan, stieg von dem Felsvorsprung
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