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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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eintönige Gesang des Gebets zum Sonnenuntergang. Einer der Jungen, die für die Wasserversorgung zuständig waren, setzte sich zum Ausruhen auf einen Stein. Träge schabte er mit einem Stock über den Sand. Dann hielt er inne. Seine Augen wurden groß vor Erstaunen, während er mit den Händen weitergrub, erst langsam, dann immer hektischer. Wild mit den Armen fuchtelnd, lief er zu Khalid.

    Igitt! Monsignore Guzman goss seinen Tee in den Sand. Das war ja ekelhaft süß. Warum rief Donovan nicht an? Vor vier Tagen schon hatte er die Software in London bestellt. Wo war dieses verfluchte Päckchen hingekommen? Das Telefon klingelte.
    »Sorry, Monsignore, der Bote hat es mir erst vor einer halben Stunde gebracht«, sagte Pater Donovan mit seinem starken Südstaatenakzent. »Konnten Sie inzwischen die Position des Massivs feststellen?«
    »Ich habe sie mir unter einem Vorwand von einem der Archäologen geben lassen.« Der Monsignore diktierte Donovan Längengrad, Breitengrad und Höhe.
    »Gut. Ich rufe Sie in ein paar Stunden zurück. Können Sie einen Theodoliten bedienen?«
    »Einen Theodoliten? Im Opus Dei hat man mir so ziemlich alles beigebracht, sogar Shaolin-Kung-Fu und Schießen mit einem Maschinengewehr, aber das nicht.«
    »Können Sie diesen Archäologen nicht bitten, es Ihnen zu zeigen?«
    »Nein, er würde Verdacht schöpfen.«
    »Meinen Sie, Sie können sich einen besorgen, ohne dass es auffällt? Fünf Minuten genügen.«
    »Und was mache ich dann damit?«
    »Prägen Sie sich den Namen des Modells ein. Ich werde Ihnen sagen, wie man ihn bedient. Es ist kinderleicht.«
    »Ich rufe Sie wieder an.«
    Die Archäologen tranken Tee und plauderten. Auf der Talsohle zwischen dem Massiv und dem Durchbohrten Felsen zählte Guzman drei auf ihren Aluminiumständern befestigte Theodolite. Niemand arbeitete daran. Er blieb neben dem erstbesten stehen und prägte sich Marke und Modell ein. Die anderen beiden schienen identisch zu sein. Er rief Donovan zurück.
    »Das sind alles Metland FET 420K, Pater.«
    »Ein sehr einfaches Modell. As easy as an apple pie . Ich werde Ihnen alles erklären, wenn ich Sie zurückrufe.«
    Der Monsignore blickte zu den Gerüsten hinüber. Mittlerweile hatten auch die Dummköpfe vom Antikendienst begriffen, dass nichts hinter dieser Wand war. Wie lange würden sie brauchen, bis sie auf den Kreisel kamen? Das Telefon klingelte.
    »Schon fertig, Donovan?«
    »Monsignore, ich bin es«, sagte Pater Pinkus.
    »Was soll diese Grabesstimme?«
    »Monsignore, man hat mich bis auf Weiteres meiner Ämter enthoben. Und das ist nicht alles. Eben hat mich der Sekretär Seiner Heiligkeit angerufen – so muss ich ihn wohl leider nennen. Der Jesuit will Sie sehen. Er verlangt, dass Sie nach Rom zurückkommen. Sofort.«
    »Konnten Sie herausfinden, warum?«
    »Nichts Offizielles, Monsignore, aber hier gehen schlimme Gerüchte um, Gerüchte über eine Neubesetzung Ihrer Stelle.«
    Der Monsignore setzte sich auf eine Kiste. »Werden Namen genannt?«
    »Monsignore Cardoza.«
    »Dieser Arschkriecher.«
    »Ja, ich glaube, so heißt er in Fachkreisen.« Es folgte eine Pause. »Hat Pater Donovan die Position des Grabes bestimmen können?«
    »Es handelt sich nur noch um wenige Stunden.«
    »Davon hängt doch alles ab, nicht wahr, Monsignore?«, fragte Pater Pinkus mit hauchdünner Stimme. »Was wird aus uns, wenn wir das Grab nicht finden?«
    »Ich bitte Sie, Pater! Wir selbst formen unser Schicksal, so wie ein Schmied ein Stück Eisen schmiedet. Sun Tsu hat geschrieben: »›Höre auf dich, und du wirst alle Kämpfe gewinnen.‹«
    »Wie schaffen Sie das nur, Monsignore, in einem solchen Moment so zuversichtlich zu sein?«
    »Das ist die Kraft des duende .«
    Tengo duende. Wie hatte García Lorca gesagt? Der duende sei jene geheimnisvolle Energie, die kein Philosoph erklären könne. »Der duende ist eine urwüchsige Kraft, die man sich nicht erarbeiten kann, ist Kämpfen statt Denken.«
    »Mein Gott, wenn ich das hier überlebe, werde ich eine Pilgerfahrt nach Andalusien machen, das schwöre ich. Monsignore, was soll ich dem Sekretär des Jesuiten sagen?«
    »Sagen Sie ihm, ich sei in einer Wüste, und zu meinem Handy gebe es keine Funkverbindung.«
    Er nahm seinen Hut ab und trocknete sich die schweißnasse Stirn. Waren wir wirklich Herrscher über unser Schicksal? Aber sicher! Ein andalusischer Gitarrist hatte ihm einmal gesagt, der duende komme nicht aus seinen Händen, so wie der eines Flamencotänzers nicht

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