Curia
»Schuldgefühle.«
»Schuldgefühle? Willst du damit sagen, der Schatz war so etwas wie eine Bitte um Vergebung? Aber wofür?«
»Das weiß ich nicht«, sagte Théo, den Blick auf die hintere Wand gerichtet. »Die Antwort liegt vielleicht in der Grabkammer.«
Khalid zuckte ratlos mit den Schultern. »Mag sein. Aber wo ist sie?«
»Denk an alle Gräber der 18. Dynastie. An ihren Grundriss.« Théo rieb sich den Nasenrücken. »Wo lag die Grabkammer?«
»Immer ganz hinten und fast immer auf einer tieferen Ebene.« Khalid nahm einem der Beduinen die Spitzhacke aus der Hand und schlug damit an mehreren Stellen auf den Boden. »Aber hier ist nichts. Überhaupt nichts.«
Théo richtete die Taschenlampe auf das mittlere Fresko an der hinteren Wand. Das Wandgemälde zeigte Echnaton, der Aton opferte, die Hände zur Sonnenscheibe erhoben. Atons Strahlen schienen sich überall auszubreiten. Der Schein der Taschenlampe traf auf die Opfergabe. Ein Kegel des Weißen Brots. Théo nahm Khalids Hacke, stellte sich vor die Wand und hieb damit auf die Sonnenscheibe ein. Ein hohler Ton hallte im Raum wider. Fast im selben Augenblick hörte man von außen das Knattern eines Maschinengewehrs.
Keuchend stürzte ein Beduine in den Raum, eine Kalaschnikow in der Hand. » Sayyid Kassamatis! Die Soldaten haben den Hügel umzingelt! Sie kommen herauf!«
» Christos! « Kassamatis tippte eine Nummer auf seinem Handy. »Verflucht, hier ist keine Verbindung.« Er lief nach draußen, gefolgt von dem Beduinen.
»Théo, wie kommen wir jetzt hier weg?«
»Er sitzt dort oben fest, genau wie wir. So wie ich ihn kenne, findet er eine Lösung, und ich ahne schon, was er vorhat. Wichtig ist nur, dass wir in seiner Nähe bleiben.«
»Und wenn er versucht, uns hier unten zurückzulassen? Was tun wir dann? Zwei Pistolen gegen die Kalaschnikows seiner Beduinen?«
»Wenn es nicht anders geht, schieße ich ihn über den Haufen.«
»Ist das dein Ernst?«
»Du kennst mich nicht.«
Khalid warf Théo einen düsteren Blick zu. »Wenn du so redest, machst du mir Angst.« Er kratzte sich nachdenklich am Bart, dann streckte er einen Finger in die Höhe. »Allah liebt die Kühnen. Wenn die Dinge so stehen, dann muss es sein, weil es so geschrieben steht.«
»Nun, wo du gerade dabei bist, sag ihm, er soll auch das hier aufschreiben.«
Vor dem Fresko stehend, hob Théo die Hacke und schlug mit aller Kraft gegen die Sonnenscheibe Atons. Die Spitze drang durch die Wand, ohne auf Widerstand zu stoßen. Ein Strom warmer Luft streifte sein Gesicht, und im Raum verbreitete sich der Duft der Harze, die für die Einbalsamierung benutzt wurden.
51 Der Monsignore steckte den Kopf durch einen Felsspalt. Caray . Wie zum Teufel hatte der Saudi es fertiggebracht, ihn zu finden? Wenige Schritte von ihm entfernt wirbelte eine Maschinengewehrsalve eine Reihe kleiner Sandsäulen auf. Er duckte sich neben den Beduinen. Wie sollte er jetzt aus diesem Inferno herauskommen? Hatte Kassamatis mit seinem »perfekten« Plan von gestern Nacht auch an so etwas gedacht?
Das Knattern der Maschinengewehre übertönte die Gewehrschüsse. Er ließ den Blick über die Hochebene schweifen. Hinter den Felszinnen verschanzt, schossen Kassamatis’ Beduinen auf die Soldaten, die den Hügel hinaufkletterten. Hebelgewehre und ein paar Kalaschnikows gegen Maschinengewehre und Granatwerfer. Wie lange würden sie durchhalten? Es war 09:35 Uhr. Um diese Zeit mussten Kassamatis’ und der Archäologe schon längst im Grab sein.
»Wir gehen hinunter.« Mit gesenktem Kopf lief der Monsignore auf das Einstiegsloch zu, gefolgt von dem Beduinen.
Sie stiegen die Treppe hinab und betraten den Gang. Die Bretter ächzten unter ihrem Gewicht. Einen Moment lang warteten sie, um ihre Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen, dann schlichen sie sich mit ausgeschalteten Taschenlampen Säule für Säule voran, auf den Lichtschein im Hintergrund zu. Die Explosion einer Granate ließ die Säulen erzittern, und es regnete Felsbrocken von der Decke. Ein Splitter traf die Krempe von Guzmans Stetson.
Vor dem Eingang zum letzten Raum, aus dem der Schein einer Laterne drang, blieben sie stehen. Im Inneren hörten sie die dumpfen Schläge von Spitzhacken. Der Monsignore blickte den Araber an und legte mahnend den Finger an die Lippen. Dann beugte er sich vor und spähte in den Raum.
Ein Hagel von Geschossen pfiff über die Köpfe Al Kaddafis und des Hauptmanns hinweg. Sie hockten in einer
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