Curia
hektische Betriebsamkeit am Heck des Flugzeugs.«
Kassamatis’ Gesicht nahm einen halb arglosen, halb beleidigten Ausdruck an. »Sollte ich nach der ganzen Mühe etwa ohne das kleinste Mitbringsel nach Hause kommen?«
Théo warf ihm einen abschätzigen Blick zu, dann wies er auf die beiden Säcke. »Wie komme ich mit dem Zeug durch den Zoll?«
Kassamatis zwinkerte ihm zu. »Die beiden Zollbeamten, die gerade Dienst tun, stehen auf meiner Gehaltsliste.«
Sie legten die Sicherheitsgurte an. Die Challenger setzte auf der Landebahn auf, der Regen rann in Streifen über die Fenster, und das Heulen der Motoren erfüllte die Kabine. Ein wirres Knäuel von Gedanken ging Théo durch den Kopf. Wir sind alle Kinder der Sterne … »Etwas, was das Licht hervorbringt«, hatte Thutmosis geschrieben … die Lichtkegel von Minkowski … Auf seiner Reise ins Jenseits wurde der Pharao plötzlich von einem blendenden Licht umgeben und fragte: »Was ist das?« … Die gelben Lichthöfe auf dem Himmel des Freskos … Noch immer drehte sich alles um das Licht. Aber so konnte die Sache doch nicht enden! Echnaton musste irgendwo etwas Schriftliches hinterlassen haben. Das Flugzeug blieb stehen.
Als die Stewardess die Luke öffnete, fegte eine heftige Regenbö ins Flugzeuginnere. Die Stewardess ließ die Leiter hinunter und stellte sich an die Tür. Auf der Landebahn wartete ein Angestellter der Flughafenverwaltung unter einem Regenschirm mit der Aufschrift »Aeroport CDG «.
»Weißt du, was bei Typen wie dir das Problem ist?« Théo drehte sich zu Kassamatis um, der Regen tropfte ihm über das Gesicht. »Man weiß nie, ob man euch in die Fresse hauen oder euch danken soll.«
»Entweder gehasst oder geliebt zu werden ist das Schicksal großer Männer.« Kassamatis zuckte mit den Achseln, dann reichte er ihm die Hand.
Théo drückte sie kräftig. »Auf Wiedersehen, Alex.« Er wollte schon die Treppe hinuntergehen, drehte sich aber noch einmal um. »Übrigens, was diesen Sirtaki-Wettkampf betrifft, täusche dich nicht, großer Mann. Ich habe dich absichtlich gewinnen lassen.«
»Lazarus’ Taverne ist immer geöffnet. Wenn du Lust auf eine Revanche oder auf ein gutes Essen hast, ruf mich an. Auf Wiedersehen.« Er winkte mit einer Hand.
Théo ging die Treppe hinunter. Die Luke schloss sich, die Motoren begannen zu laufen, und das Flugzeug rollte mit blinkenden Positionslichtern zur Startbahn.
Er ging zu dem Mann mit dem Schirm. Vor dem Flughafen warte eine Limousine mit Fahrer, um ihn nach Paris zu fahren, sagte der Mann. Eine Aufmerksamkeit von Monsieur Kassamatis. Dann gingen beide unter dem Schirm, auf den der Regen prasselte, rasch auf das Zollgebäude zu. Théo dachte an Raisa. Er würde sie vom Auto aus anrufen.
Als er über die Schwelle des Terminals trat, fiel sein Blick auf ein leuchtendes Reklamebild mit dem Schriftzug: »Ägypten erwartet Sie, worauf warten Sie noch?« Es zeigte einen Obelisken über einer Sphinx. Tatsächlich, ein Obelisk wartete noch auf ihn: Cleopatra’s Needle. »Es ist ein regelmäßig geformter Hohlraum von fünfundzwanzig Zentimeter Höhe und zwanzig Zentimeter Breite und Tiefe«, hatte Spyro in der Hemingway Bar gesagt.
Théo steckte die Hand in seine Hemdtasche und zog Echnatons Kette heraus. Im Neonlicht schimmerte die Statuette aus Türkis grünlich. Ihre Augen, zwei winzige schwarze Obsidiane, lächelten ihm zu.
55 ACHET-ATON, DRITTES JAHR DER REGENTSCHAFT TUTANCHAMUNS
Das Heulen eines Schakals hallte über die Königliche Straße. Das Tier schlich an den bröckelnden Fassaden der Häuser vorbei, kletterte durch ein Fenster, dessen Läden halb herausgerissen waren, und sprang in einen umzäunten Garten mit vertrockneten Obstbäumen. Der Schakal schnupperte an einem schlammigen Zierteich, dessen Oberfläche mit einem Teppich aus verfaulten Fischen bedeckt war.
Langsam wanderte ein Löwe durch die königlichen Gärten, sein Schwanzende peitschte. Er blieb stehen, um den Schakal zu beobachten, der in den Eingeweiden einer Antilope wühlte. Die grünen Einsprengsel in seinen Augen leuchteten im Licht der untergehenden Sonne. Der Löwe brüllte, und der Schakal floh, einen blutigen Fetzen Fleisch zwischen den Zähnen.
Der Löwe durchquerte einen Säulengang, wo sich Sandverwehungen häuften, lief die große Treppe hinauf und wanderte durch die leeren Flure. Die tief stehende Sonne warf seinen Schatten riesenhaft vergrößert an die Wände. Zwischen den Säulen pfiff der Wind.
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