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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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introvertiert und asozial.«
    »Das Leben ist kein Botschaftsball. Diese Marionetten im Smoking mit ihrem banalen Geschwätz stehen mir bis hier.«
    »Der Mann von Welt hat gesprochen. Dein Vater war berühmt für seine Arroganz, aber du schlägst ihn um Längen.«
    »Arrogant, weil ich geistlose Typen meide, deren einziges Verdienst darin besteht, den richtigen Namen zu tragen und im richtigen Arrondissement zu wohnen? Lieber arrogant als ein Parvenü.«
    »Wie oft hast du in den drei Jahren, die wir verheiratet sind, für meine Freunde deine verfluchte Geige gespielt? Kein einziges Mal! ›Paganini wiederholt nicht‹ ist nichts gegen dich!«
    »Ich spiele nicht für andere, das weißt du. Jedenfalls würde ich niemals für diese Leute spielen.«
    »Bravo!« Christiane applaudierte. »Von jetzt an kannst du für das einzige Publikum spielen, das dir wirklich etwas bedeutet: für dich selbst.«

    Christiane, Christiane … Er schüttelt den Kopf. Was zählten rote Haare und grüne Augen, wenn die Seele fehlte. Er streckte die Hand nach seinem Geigenkasten aus, drückte auf den Verschlussknopf, holte die Stradivari heraus und legte sie auf seine Knie. Sein Blick fiel auf das Messingschild. Antonius Stradivarius Cremonensis Faciebat Anno 1713. Dahinter ein Kreis mit den Initialen A und S, überragt von einem Kreuz.
    Geige und Archäologie: für Edmond zwei getrennte Welten wie klassische Musik und Jazz. Aber Edmond dachte bekanntlich mit einem anderen Körperteil als dem Kopf. Zerstreut zupfte Théo die Saiten. Musik brachte nicht nur Gefühle zurück, die im Unterbewusstsein versunken waren, auch Erinnerungen an vergangene Welten und Archetypen, die sich in die Gene eingeprägt hatten.
    Die besten Ideen für seine Forschungen waren ihm gekommen, wenn er seine Stradivari spielte: Paganini, Beethoven, Corelli. Was er spielen sollte, sagten ihm flüchtige Eingebungen, aber die magischen Resonanzen der Stradivari gaben ihm ein Adagio oder ein Allegro vivace oder ein Fortissimo vor. Hätte Einstein nicht Geige gespielt, wäre die Relativitätstheorie wahrscheinlich nie entstanden.
    Er klemmte die Geige zwischen Kinn und Schlüsselbein, ergriff den Bogen und ließ ihn über die Saiten gleiten. Das Adagio von Brahms Violinkonzert in D-Dur erklang, und eine herbstliche Melancholie senkte sich über das Zimmer. Plötzlich wurden die Bewegungen des Bogens schneller, sie folgten den Noten des Vivace aus dem Concerto Grosso in g-Moll von Corelli, und das Erwachen des Frühlings zerstreute die herbstlichen Nebel. Théo schloss die Augen, und mit dem Allegro molto appassionato des Violinkonzerts e-Moll von Mendelssohn fing der Bogen an, lebhaft über die Saiten zu tanzen. Théo folgte dem Rhythmus mit Kopfbewegungen, die Haare fielen ihm in die Stirn.
    Er hörte auf zu spielen und öffnete die Augen, den Bogen noch auf die Saiten gelegt. »Achtzigtausend Leprakranke und andere Unreine … am Ostufer des Nils.« Unreine . Da war der Schlüssel! Zur Zeit der 18. Dynastie bezeichnete dieses Wort nicht nur Aussätzige, er bedeutete auch Chaos, Anarchie, Zerstörung. Und die Zahl achtzigtausend war kein Zufall. Auch das Ostufer des Nils nicht.
    Manetho hatte gar nicht gelogen. Er hatte eine Allegorie benutzt. Eine Umschreibung, die bisher noch niemand erkannt hatte.
    Drei . Es hatte drei Auszüge gegeben, nicht zwei, und in drei verschiedenen Epochen. Josias Schreiber hatten sie vermengt und mit Mythen und Allegorien durchtränkt, darum hatte niemand etwas begriffen. Über den dritten Exodus aber hatte keiner je sprechen wollen, weder die Ägypter noch die Israeliten und am allerwenigsten Manetho, der an seinen Eid gebunden war.
    Er hatte keinen Beweis, aber jetzt wusste er etwas: was Manetho in den Aegyptiaca hatte sagen wollen, als er von den »Leprakranken« sprach. Vanko war aus einem Grund ermordet worden, der etwas mit diesem dritten Exodus zu tun hatte. Was hatte er entdeckt? Ein theologisches Geheimnis? Einen Schatz? Etwas, was das »gottgegebene Anrecht« auf das Gelobte Land betraf?
    Er erhob sich und blieb mitten im Wohnzimmer stehen, gedankenverloren, die Stradivari in der Hand.

 
    11    Mit finsterer Miene blätterte Monsignore Guzman in dem Bericht über den Berg Athos, den Pater Pinkus verfasst hatte.
    In den Klöstern wurden über zwanzigtausend Handschriften aufbewahrt, und jedes Kloster hatte seine eigene Bibliothek. Wie sollte er das richtige Kloster finden, wenn der Papyrus wirklich auf dem Berg Athos gelandet

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