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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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als Vorbild für den Gralstempel diente.« Constance wies auf eine markierte Seite im Buch. »Siehst du die Darstellungen auf den Innenwänden? Die zweiundzwanzig Großen Arkanen?«
    »Die Großen Arkanen? In einer Kirche?«
    Sie benutzte die Arkanen in ihrer psychoanalytischen Therapie. Jung hatte sie für die wahren Archetypen des Unbewussten gehalten. In der esoterischen Tradition stellten sie die Initiationsriten der ägyptischen Tempel dar. Sie waren auch Teil des »Lebensbaums« der Kabbala und bildeten zweiundzwanzig der achtundsiebzig Tarotkarten.
    »Wer hat die Intarsie in Auftrag gegeben?«, fragte Raisa.
    »Ein Adeliger, ein gewisser Alberto Aringhieri, der wohl nicht zufällig zum Hospitalorden vom heiligen Johannes gehörte. Sein Porträt im Gewand eines Rhodos-Ritters hängt im Dom.«
    »Nun, wenn er ein Johanniter war, wundert es mich nicht, dass er der Auftraggeber war.«
    »Ja, Chérie, aber das erklärt noch nicht, warum Aringhieri den Bildhauer gerade mit diesem Thema und diesen Inschriften beauftragte. Meiner Meinung nach hat ihn jemand anderes auf diese Idee gebracht.« Constance steckte eine Caballero in ihre elfenbeinerne Zigarettenspitze und zündete sie an. »Ich frage mich, wer …«
    »Jemand, der die Hermetica gut kannte.« Raisa sprach, als dächte sie laut nach. »Ein Esoteriker, ein gebildeter Mensch, ein Toskaner … Aber auch jemand mit einer Hassliebe zur Kirche.«
    »Marsilio Ficino?«
    »Nein, er nicht. In der Intarsie drückt sich eine Weltanschauung aus, die Ficino völlig fremd ist. Vergiss nicht, dass Ficino 1437 zum Priester geweiht wurde.«
    »Wer war es dann, deiner Meinung nach?«
    »Pico della Mirandola«, sagte Raisa.
    Die Pendeluhr schlug zweimal.
    »Pico della Mirandola? Wie kommst du denn darauf? Pico war ein Humanist. Ich kann ihn mir beim besten Willen nicht mit solchen Ideen vorstellen.«
    »Pico della Mirandola war vor allem das Enfant terrible der italienischen Renaissance. Sein De homini dignitate war das geistige Manifest der Renaissance.« Raisa zeigte auf das Foto des Mosaiks. »Bei dieser Kleidung assoziiere ich eine Kreuzung aus biblischem Prophet, Magier und mittelalterlichem Alchimisten. Und in dieser Kreuzung sehe ich Pico della Mirandola.«
    Pico hatte sein kurzes Leben damit zugebracht, eine Philosophie auszuarbeiten, die Christentum, Judentum und griechisches Denken vereinigte. Er hatte die von Ficino verschmähte Kabbala gründlich studiert und Hebräisch gelernt, um auf die Quellen zurückgehen zu können.
    »Hör dir an, was Pico 1486 an Marsilio Ficino schrieb.« Raisa blätterte in ihren Notizen.

    Nachdem ich Tag und Nacht Hebräisch gelernt habe, widme ich mich jetzt ausschließlich dem Arabischen und Chaldäischen, wozu mich gewisse Bücher nötigen, welche mir durch göttliche Vorsehung in die Hände gefallen sind. Es sind chaldäische Texte … von Esra, Zarathustra und Melchior, Orakel von Magiern, die eine kurze, aber an Geheimnissen reiche Deutung der chaldäischen Philosophie geben.

    »Dieser Brief beweist, dass Pico eine kabbalistische Lebensauffassung hatte und von Ficinos Neoplatonismus weit entfernt war«, sagte Raisa. »Spürst du nicht, wie viel Geheimnis in diesem Brief mitschwingt?«
    Constance wurde nachdenklich. »Wie war sein Verhältnis zur Kirche?«
    »Tumultarisch, was noch vorsichtig ausgedrückt ist.«
    1486 veröffentlichte Pico, damals erst dreiundzwanzig, seine neunhundert Conclusiones philosophicae, cabalisticae et theologicae , die ihn zum größten Genie seiner Zeit machten. Eine von Papst Innozenz VIII. einberufene Kommission aus Theologen beurteilte viele seiner Thesen jedoch als häretisch, der Papst verbot das Werk, und Pico musste nach Frankreich fliehen, wo er auf Druck der Kirche eingekerkert wurde. Dank der Fürsprache von Lorenzo de’ Medici kam er schon bald wieder frei und kehrte unter dessen Schutz nach Florenz zurück. Er starb 1494 unter mysteriösen Umständen im Alter von einunddreißig Jahren.
    »Es ging das Gerücht um, Pico sei im Auftrag der Kirche durch seinen Sekretär vergiftet worden.«
    »Wann floh er nach Frankreich?«, fragte Constance.
    »1488.«
    »Und wann kehrte er nach Florenz zurück?«
    »Noch im selben Jahr. Warum?«
    »Die Intarsie wurde 1488 angebracht.«
    »Das könnte Zufall sein«, sagte Raisa.
    »Vielleicht.« Constance zog nachdenklich an ihrer Zigarettenspitze. »Hast du sonst noch was gefunden?«
    »Ja.« Raisa blätterte wieder in ihren Aufzeichnungen. »Etwas über

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