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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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und seinen Höhepunkt zur Zeit Echnatons erreicht.
    »Was geschah in dem Traum?«, fragte Raisa.
    »Als er noch ein Prinz war, ging der zukünftige Thutmosis IV. eines Morgens, begleitet von einem Diener, auf Löwenjagd in der Wüste – ein entzückender Zeitvertreib zu jener Zeit. Die beiden machten Rast im Schatten des Kopfes der Sphinx, die damals bis zum Hals im Sand versunken war. Als die Sonne im Zenit stand, schlief Thutmosis ein. Er träumte, dass Ra-Harmakhis, der Gott der aufgehenden Sonne, mit dem die Sphinx identifiziert wurde, ihm den Thron von Ägypten versprach, wenn er die Sphinx von dem Sand befreien würde, in dem sie erstickte. Thutmosis erfüllte den Wunsch des Gottes und wurde Pharao, obwohl er nicht der Thronerbe gewesen war. Seinen Traum verewigte er auf einer Stele aus Granit, die man noch heute zwischen den Vorderbeinen der Sphinx sehen kann.«
    »Die folgende religiöse Revolution kam Aton zugute, aber der Gott in dem Traum war Ra-Harmakhis. Wie erklärt sich das?«
    »Der Sonnengott Ra nahm auf seiner Bahn über den Himmel verschiedene Namen an. Bei Tagesanbruch hieß er Ra-Harmakhis, im Zenit Ra und Aton bei Sonnenuntergang.«
    Raisa spielte mit ihren Cartier-Armreifen. »Meinst du, Thutmosis IV. hat die Bruderschaft unter dem Einfluss des Traums gegründet?«
    »Ich halte es für wahrscheinlich, Chérie, vor allem in Anbetracht des Bildes, das in die Stele gemeißelt ist.«
    »Welches Bild?«
    »Außer den Hieroglyphen, die von dem Traum berichten, sieht man auf der Stele auch die Sphinx. Und unter ihr liegt ein unterirdisches Bauwerk mit einer Tür.«
    Raisa blickte Constance skeptisch an. »Ich hoffe, du denkst nicht an Thoths Halle der Aufzeichnungen, die angeblich unter den Pranken der Sphinx verborgen ist, wie diese New-Age-Leute glauben.«
    »Bitte sprich nicht in diesem Ton mit mir, Chérie.« Constance blies einen Rauchring in die Luft. »Was wollte Thutmosis IV. uns mit diesem unterirdischen Bau sagen? Denk mal an den Westcar-Papyrus im Ägyptischen Museum in Berlin.«
    »Aber ist das nicht eine Sammlung von Wundergeschichten?«
    »Darum geht es nicht. In einer dieser Erzählungen verrät ein Zauberer dem Pharao Cheops, wo der Schlüssel zur Halle der Aufzeichnungen versteckt ist.«
    Der Papyrus berichtet, der Schlüssel befinde sich in einer mit Kieselsteinen besetzten Schachtel, die in einer Bibliothek des Hauses von Sapti, einem Tempel der heiligen Stadt Heliopolis, in einer Nische versteckt sei.
    »Vanko hat in seinen Aufzeichnungen dasselbe geschrieben, allerdings mit einem Unterschied«, sagte Constance. »Er spricht von einem Haus des Phönix. Woher hat er eine so genaue Information?«
    »Constance, die Archäologen bleiben dabei, dass die Halle der Aufzeichnungen nur ein Mythos ist.«
    »Es spielt auch keine Rolle, ob die Halle der Aufzeichnungen ein Mythos ist oder nicht«, fuhr Constance fort. »Warum ließ Thutmosis deiner Meinung nach diese Stele anfertigen?«
    »Nun, es lässt sich nicht ausschließen, dass der Traum reine Erfindung war. Vielleicht tat er es, um das Recht auf eine Thronfolge zu legitimieren, die ihm von Geburt her nicht zustand.«
    »Genau darum geht es, Chérie. Doch in dem Fall hätte Thutmosis sich damit begnügt, die Sphinx abzubilden. Warum ließ er auch diesen unterirdischen Bau auf die Stele meißeln?«
    »Vielleicht um vorzugeben, der Gott hätte ihm wer weiß was für Geheimnisse anvertraut«, erwiderte Raisa.
    »Eine logische Erklärung, aber es ist nicht die einzige. In Theons Brief heißt es, Thutmosis IV. habe die Schule der Mysterien Thoths gegründet. Also hat sich Thutmosis IV., als er Pharao wurde, einem Initiationsritus unterzogen. Wahrscheinlich gab es zu dem Zeitpunkt noch kein Versteck in einer Nische, und der Westcar-Papyrus erzählt nur eine Wundergeschichte. Also hat er selbst sie gegraben.«
    »Er selbst ? Warum hätte er das tun sollen?«
    »Weil der Initiationsritus und die Mysterien Thoths ihn weit stärker beeinflussten als der Traum in seiner Jugend. Thutmosis wusste ganz sicher von der Halle der Aufzeichnungen, ob das nun ein Mythos war oder nicht. Da kam ihm die Idee mit der Nische und dem Bild von einem unterirdischen Bau auf der Stele.«
    »Willst du damit sagen, der unterirdische Bau hat eine symbolische Bedeutung, etwas wie ein Initiationsweg?«
    »Ganz genau, Chérie. Die Gründung dieser Schule zeigt, dass Thutmosis IV. ein Mystiker war. Seine Stele, von der die ganze Welt glaubt, sie sei das Dokument eines

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