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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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Traums, ist in Wahrheit die Allegorie eines Geheimwissens.«
    »Was kann er in der Nische versteckt haben, wenn er sie selbst gegraben hat?«
    »Vielleicht gibt es einen Weg, um das herauszufinden: den Obelisken von Thutmosis III., von dem Theophilos in seinem Brief spricht. Der Obelisk, in dem Echnaton etwas versteckt haben soll. Echnaton war sich gewiss im Klaren darüber, was passieren würde, wenn er von der Bildfläche verschwunden war. Wenn sein Großvater wirklich etwas in dieser Bibliothek versteckt hatte, dann kann es nur so gewesen sein, dass Echnaton es herausgeholt und in dem Obelisken versteckt hat. Wer hätte je an ein solches Versteck gedacht?«
    »Dann gibt es nur eines: Wir müssen uns an das British Museum wenden.«
    »Ja, der Obelisk muss mit Röntgenstrahlen untersucht werden.«
    »Glaubst du wirklich, Théo wäre bereit, das Geheimnis mit jemandem zu teilen? Offenbar kennst du die Archäologen nicht.«
    »Ich kenne sie sehr gut«, sagte Constance mit düsterer Stimme.
    »Ich schlage vor, Ägypten Théo zu überlassen und mit dem Ende anzufangen, dem Brief von Marsilio Ficino.«
    »Einverstanden.«
    »Ich weiß.«
    »Was soll das heißen: ›Ich weiß‹?«, fragte Constance pikiert.
    »Deine Sekretärin hat mir mitgeteilt, dass du morgen nach Florenz fährst, und irgendetwas sagt mir, dass diese Reise kein romantisches Wochenende wird. Du fährst nach Siena, richtig?«
    »Elende Schnüfflerin!« Sie streckte Raisa scherzhaft die Zunge heraus. »Na gut. Ich habe ein paar vorbereitende Recherchen gemacht, und weißt du, was ich glaube? Der Dom von Siena könnte eine zweite Kathedrale von Chartres werden.«

    Raisa stieg die Treppe hinunter. Auch sie hatte ein paar Recherchen angestellt, aber über Marsilio Ficino, weil ihr der Gedanke gekommen war, sein Leben könnte Überraschungen bergen. Überraschendes hatte sie auch gefunden, allerdings nicht in Ficinos Leben.
    Das gelbe Licht der Straßenlaternen verlängerte die Schatten der Statuen von Hugo und Pasteur auf dem Pflaster. Raisa überquerte den verlassenen Hof.
    Die Glut einer Zigarette leuchtete im Dunkeln auf, und eine dunkle Silhouette erschien hinter der Statue von Victor Hugo. Der Mann beobachtete Raisa, während sie sich Richtung Rue Saint Jacques entfernte, warf den Zigarettenstummel weg und ging in dieselbe Richtung.
    Sein schleppender Schritt hallte als unregelmäßiges Echo über den Hof.

    Théo stützte sich auf die Balkonbrüstung. Sein Blick wanderte über die Bistros mit ihren blauen Rollläden, die Kopfsteinpflastergässchen, die den Hügel hinaufkletterten, bis zu den Kuppeln von Sacré-Cœur. Alexia hatte immer gesagt, Montmartre sei nicht nur ein Viertel von Paris, sondern eine Lebensweise. Wie wahr. Aber sie war an eine Welt gebunden, die es nur noch auf den Bildern der Maler am Place de Tertre gab. Er nippte am Cognac. Diese Bohémien-Seite seiner Mutter und die Geschichten über die Impressionisten am Montmartre zu Beginn des Jahrhunderts hatten ihn immer fasziniert.
    Er holte Nickys Uhr aus der Tasche und öffnete sie. Au clair de la lune, mon ami Pierrot, prête-moi ta plume, pour écrire un mot …
    Vielleicht hatte er deswegen nie aus dieser Wohnung ausziehen wollen, obwohl sie zu viele Erinnerungen barg: die Streitereien wegen der andauernden Seitensprünge seines Vaters, Alexias Einsamkeit, Edmonds Wutausbruch, als Vanko ihm sagte, er wolle Priester werden, die Kämpfe mit Christiane.
    Er blieb an der Schwelle zum Balkon stehen und betrachtete das Wohnzimmer. Wenig hatte sich seither verändert: der Kamin aus rosafarbenem Verona-Marmor, die Streifentapete in Ocker und Grün, die Empiremöbel, die Fotos von Kos, Alexias Aquarelle von den Häfen der Insel mit ihrem Hellblau und Gelb …

    Théo ging ins Wohnzimmer zurück. Er setzte sich in den Sessel neben dem Kamin und ließ den Kopf auf die Rückenlehne sinken.

    »Was machst du da?«, fragte Théo von der Schlafzimmertür aus.
    »Ich tue das, was ich schon am ersten Tag hätte tun sollen.« Christiane fuhr fort, Kleider in einen Koffer zu stopfen.
    »Dasselbe könnte ich auch sagen, aber es ist meine Wohnung.«
    »Wer hat mich denn gestern wieder mal blamiert? Du wusstest, wie wichtig mir dieser Empfang war und was er für meine Arbeit bedeutet. Nicht mal angerufen hast du!«
    »Ich hatte Probleme im Louvre und hab es vergessen. Aber es geht um etwas anderes …«
    »Heuchler! Das gestern war doch nur die jüngste deiner Heldentaten. Du bist egozentrisch,

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