Curia
feiern.
15 Théo lehnte sich an den Fensterrahmen und betrachtete die Warteschlange der Touristen, die sich von der Pyramide bis zum Jardin du Carrousel hinzog.
Bevor Vanko gestorben war, hatte er Ottolenghi getroffen. In dem Café in Marino hatte Dominici ihm erzählt, dass der Kardinal ihn belogen hatte, was dieses Treffen anbelangte. Wenn Vanko Ottolenghi den Brief von Ficino damals gezeigt hatte, würde Guzman nicht lange brauchen, um zu entdecken, wer die »Mönche vom heiligen Berg« waren.
War es ein Fehler, den Berg Athos zu vernachlässigen? Nein. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Mönche den Papyrus hatten, war äußerst gering. Zudem gab es auf Athos zwanzig Klöster, jedes mit einer Bibliothek.
Doch waren der Obelisk und der Dom von Siena nicht auch aussichtslose Aktionen, sogar für jemanden wie Konstantine?
Selbst wenn man voraussetzte, dass Echnaton etwas in dem Obelisken versteckt hatte, dann war das vor seiner Flucht aus Achet-Aton und vor seinem Tod passiert. Was auch immer Konstantine dort finden würde, bei der Suche nach dem Grab konnte es nicht helfen. Und was auch immer sich unter dieser Platte im Dom von Siena verbergen mochte, es hatte wahrscheinlich eher mit einem esoterischen Geheimnis zu tun als mit Echnatons Grab.
Blieb die Kupferrolle, doch was ließ sich aus dieser Schatzkarte entnehmen? Recht wenig. Auch wenn man an eine Verbindung zwischen dem Schatz der Rolle und dem Aton-Schatz glaubte und annahm, dass ein Teil außerhalb Israels versteckt war – wo lag dieses Versteck?
Was folgte daraus? Der Obelisk, der Dom von Siena und die Kupferrolle waren als Operationen ungefähr so leicht wie Carters Entdeckung des Grabes von Tutanchamun … Aber natürlich, wie konnte er das vergessen … Tuts Grab.
Er kehrte an seinen Schreibtisch zurück und nahm einen Druck des Gizeh-Plateaus von der Wand, hinter dem sich ein Safe verbarg. Er tippte den Zahlencode, nahm Vankos Notizen heraus und überflog sie noch einmal. Carter/Grab des Tutanchamun/fehlender Papyrus. Was meinte Vanko damit? Was war der fehlende Papyrus?
Er verließ das Büro und lief die Treppe hinunter. Im Untergeschoss öffnete er eine Tür mit der Aufschrift »Antiquitées Egyptiennes, Bibliothèque« und blickte sich suchend nach Léon, dem Bibliothekar, um.
Nachdem Théo erklärt hatte, was ihn herführte, sah ihn Léon, ein kahlköpfiger Riese mit Stiernacken und ausladendem Schnurrbart, finster an.
Théo wusste genau, dass das Thema Tutanchamun bei Léon tabu war. Schon mehrmals hatte der Bibliothekar ihn gefragt, wie sich erklären lasse, dass viele derjenigen, die das Grab als Erste betreten hatten, beginnend mit Lord Carnarvon, kurz darauf gestorben waren. Er hatte geantwortet, es handle sich nur um Zufälle, aber Léons Blicke und sein Verstummen sagten alles. Léon glaubte an den »Fluch des Pharaos«, die Geschichte, die nach der Entdeckung des Grabes in aller Welt in den Zeitungen gestanden hatte.
»Gut, patrón «, sagte Léon und wischte sich mit der Hand über die schweißglänzende Glatze, »wenn ich richtig verstanden habe, suchen Sie die Zeitungsartikel aus jener Zeit, die internen Berichte und den Briefwechsel.«
»Genau. Könnten Sie mal nachsehen, was wir im Archiv haben?«
Léon tippte auf der Computertastatur. »Es gibt zehn Dossiers. Von 1922 bis 1931.«
»Die würde ich gern einsehen.«
Léon blickte ihn mit gequälter Miene an. »Ist das wirklich nötig?«
»Ich fürchte, ja.«
» Nom d’un chien . Na gut.«
Sie gingen zu einer Panzertür, Léon drehte den Schlüssel im Schloss, und die Tür öffnete sich mit einem Ruck. Im Inneren ragten zwei Reihen Metallregale voller Dossiers auf.
»Hier.« Léon blieb vor einem Regal stehen und zeigte darauf wie auf einen Aussätzigen. »Soll ich da hoch?«
»Wenn Sie wollen, steige ich hinauf.«
»Sie denken doch nicht etwa, dass ich Angst habe?« Léon zog eine Leiter an der Gleitschiene heran.
»Das war nur so dahergesagt, Léon.« Théo lächelte ihm freundlich zu, denn er erinnerte sich an Léons Empfindlichkeit, die im ganzen Louvre bekannt war.
»Das sind sie, patron .« Auf der obersten Stufe der Leiter stehend, wies Léon mit der Hand auf eine Reihe staubiger Dossiers auf dem Regal. Auf dem Rücken trugen sie die Aufschrift »Carter-Tutanchamun« und die Jahreszahl. »Welches wollen Sie einsehen?«
»Alle.«
» Mon Dieu , ich hab’s ja geahnt«, brummte Léon zwischen den Zähnen und zog ein Paar Handschuhe aus festem Tuch
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