Curia
ins Leere zu fallen.
» Merde !« Er hieb sich mit der Faust aufs Knie.
»Ist etwas nicht in Ordnung, Monsieur?«
»Nein, entschuldigen Sie bitte. Ich war in Gedanken.«
Der Fahrer beäugte Théo durch den Rückspiegel, brummte etwas und schüttelte den Kopf.
Die Stille im Übertragungsraum der Villa Tevere wurde hin und wieder von einem Schnarchen unterbrochen. Durch die Spalten der Rollläden fiel das Licht einer Straßenlaterne und zeichnete den riesenhaft vergrößerten Schatten der Fenstergitter auf den Fußboden.
Der Numerarier drehte sich auf seiner Pritsche um, gähnte und stützte sich auf seinen Ellenbogen. Die leuchtenden Zeiger der Wanduhr zeigten 02:40 Uhr. Auf den im Dunkeln liegenden Bildschirmen flackerte das Windows XP -Logo. Der Mann legte sich wieder hin und drehte sich zur anderen Seite um.
Plötzlich leuchtete die gelbe LED -Anzeige eines Modems auf, und das rote Signal einer Festplatte begann zu blinken. Das Windows-Logo verschwand, und über die Bildschirme flimmerte eine unendliche Folge von alphanumerischen Zeichen.
ROM, CARLOMAGNOS LABOR, SIEBEN TAGE SPÄTER
Die Beine auf eine geöffnete Schublade gelegt und an einer Karotte knabbernd, blätterte Carlomagno in einer Computerzeitschrift. Über einen der vielen Bildschirme auf dem Tisch lief eine Folge alphanumerischer Zeichen.
Als der Bildschirm aufleuchtete, blickte Carlomagno hoch. Das Bild war stehen geblieben, mitten in einem rot umrahmten Rechteck blinkte eine Buchstabenfolge. Zwölf. Die Karotte fiel zu Boden.
Mit gefalteten Händen hob Carlomagno die Augen zum Himmel. »Danke, lieber Gott«, sagte er. »Von heute an bestehle ich nur noch böse Menschen. Versprochen.«
Er klickte auf die erste Datei, und eine mit Microsoft Access erstellte Seite voller Namen tauchte auf. Der Name der Datenbank lautete »Supernumerarier/Spanien«. Er klickte auf die zweite und auf die folgenden Dateien. Nachdem er die letzte geöffnet hatte, tippte er eine Nummer in sein Handy.
»Wie viele sind es?«, fragte der Kommissar.
»In den Dateien sind 60 128 Namen aufgelistet.«
»Wo ist das Gros konzentriert?«
»In Westeuropa und Nord- und Südamerika. Fünfunddreißig Länder.«
»Was steht sonst noch da, außer den Namen?«
»So ziemlich alles. Privatadresse, Arbeitsstelle, die Firmen, die sie leiten oder wo sie im Vorstand sitzen, die Schenkungen.« Carlomagno klickte mit der Maus. »Ach, das hätte ich fast vergessen. Zum Schluss gibt es noch einen Bonus. Eine Datei mit der Liste der Mitarbeiter.«
»Mitarbeiter? Wie viele sind es?«
»Halten Sie sich fest: 718 345.«
»Gehen Sie nicht aus dem Haus. Ich lasse Sie sofort mit einem Wagen abholen.«
»Commissario … und der Bericht von der Finanzpolizei?«
»Was für ein Bericht?«
Mit raschen Schritten überquerte Monsignore Guzman, eine Ledermappe in der Hand, die Piazza San Pietro, ging unter den Bernini-Säulen hindurch, stieg eine lange Treppe hinauf und schritt durch die Bronzetür des Apostolischen Palastes. Die beiden Schweizergardisten standen stramm. Er betrat den Fahrstuhl und fuhr in den dritten Stock hinauf, wo sich die Privatgemächer des Papstes befanden.
Als er in das Arbeitszimmer des Papstes kam, war Kardinal Ottolenghi schon da. Der Monsignore kniete vor Seiner Heiligkeit nieder, küsste den Fischerring und setzte sich neben den Kardinal.
Er warf einen Blick auf den Papst. Auf seinem Gesicht lag der immer gleiche gutmütige Ausdruck, doch der Anblick täuschte. Trotz seines Alters und seiner angegriffenen Gesundheit führte der polnische Papst die Kirche noch immer wie ein absolutistischer Monarch und ließ sich, como el Generalissimo , von niemandem etwas sagen, ausgenommen Ottolenghi, freilich nur in Fragen theologischer Dogmen.
Der Monsignore ließ seinen Blick zu dem Kruzifix in Lebensgröße hinter dem Papst und dann über die Wände schweifen, die kahl waren wie die eines Krankenhauszimmers. Er wand sich in seinem Sessel. Dieser Ort hatte auf ihn stets die gleiche Wirkung wie die Erbsünde: Er fühlte sich schuldig, noch bevor er den Mund aufgemacht hatte.
Auf dem Schreibtisch stapelten sich unzählige Dossiers. Der Papst öffnete eines, während er mit zitternder Hand seine Brille aufsetzte.
»Monsignore«, sagte er mit bebender Stimme, »Ihr Bericht erfüllt uns mit Bestürzung.«
Ein frontaler Angriff, ungewöhnlich für diesen Papst. Verstohlen spähte Guzman zu Ottolenghi hinüber. Der Inquisitor duckte sich in seinem Sessel wie eine
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