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Cut

Cut

Titel: Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Kroeger
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noch.«
    Du versuchst zu reden, ohne die Kamera zu bewegen. »Schon gut. Hab ich auch schon dran gedacht.«
    Würde es dir was ausmachen, wenn er tot wäre? Im Moment bist du zu müde, um dir darüber klar zu sein. Aber tief in dir spürst du einen kleinen Stich, als wäre es eine persönliche Ungerechtigkeit des Schicksals, jetzt, wo du dich nach all den Jahren doch noch auf die Suche gemacht hast.
    Du ziehst mit der linken Hand einen zusammengefalteten Zettel aus der Jackentasche und wirfst ihn zu Nick aufs Bett.
    »Asian Community Center«, liest er laut vor. »Was willst du denn da?«
    »Wir müssen Kontakt zu indischen Ärzteorganisationen aufnehmen.« Das klingt überzeugender als dir zumute ist. Du erzählst ihm nichts von dem jungen Typen, der dir den Zettel vor der Botschaft in die Hand gedrückt hat. Du hast ihn auf Deutsch angefahren, dabei konntest du ihm kaum vorwerfen, dass er dich für eine Inderin gehalten hat. Es hat dir einfach gereicht, dieses ganze Hin und Her. »Gib mir den Zettel, ich muss da hin, bevor sie zumachen.«
    Du hast es gesagt, jetzt musst du es tun. Raus mit dir, du hast dir noch nicht genug Schrammen abgeholt heute!
    Nicks Gesicht nähert sich der Kamera und wird unscharf. »Nimm mich mit, bitte, Partner, hol mich hier raus!«
    Du machst die Kamera aus und beschließt, eine Ausnahme zu machen.

26 Community
    »Und dann ist mein Zeitzeuge einfach eingeschlafen! So was ist mir noch nie passiert!« Mehmet Khan wickelte die Schnur des Telefons um seinen Zeigefinger. »Nein, ich musste zurück. Die Ausgabe ist fertig. Hab sie eben aus der Druckerei geholt. Ich bringe sie später mit. Nein, ich schiebe gerade Dienst an der Community.« Er lachte über seinen eigenen Witz und legte auf.
    Mehmet fragte sich, ob es irgendwo auf der Welt ein schlecht finanziertes linkes Projekt gab, bei dem es nicht so aussah wie hier. Um ihn herum stapelten sich die Broschüren und Papiere auf dem alten Holzschreibtisch. Die Wände waren beklebt mit mehreren Schichten von Plakaten, die zu antirassistischen Demos und Kongressen aufriefen. Zum Teil hatten sie schon vor Jahren stattgefunden.
    Er nahm sich vor, beim nächsten Treffen mal wieder die Renovierung auf die Tagesordnung zu setzen. Aber das tat eigentlich immer irgendjemand und dann scheiterten sie daran, einen Termin zu finden, an dem alle gemeinsam Zeit hatten. Jobs, Familie, politische Gruppen – sie konnten froh sein, wenn sie die Öffnungszeiten nicht noch weiter einschränken mussten. Beratungsarbeit machte selten wirklich Spaß, aber nur so war es möglich, Kontakt zur Basis zu halten. Die Geschichten, die er hier zu hören bekam, waren in der Regel keine angenehmen. Rassistische Übergriffe, abgelehnte Asylanträge, Angst vor der Abschiebung. Für Geld und Waren sollten keine Grenzen mehr existieren im Zeitalter der Globalisierung. Für die Menschen wurden sie langsam unüberwindlich.
    Er sah auf die Uhr. Noch eine Viertelstunde. Wenn er Glück hatte, würde er es heute ausnahmsweise rechtzeitig schaffen, Leila vom Kinderladen abzuholen. Liz hatte Redaktionssitzung beim Guardian, das konnte bis tief in die Nacht dauern, Mehmet lächelte. Nicht nur die muslimischen Genossen fragten ihn manchmal, ob er sich unterlegen fühlte mit einer Frau, die im gleichen Beruf eine Traumkarriere hingelegt hatte, während er selbst für ein Magazin schrieb, das nur in der politischen Szene einen Namen hatte. Was bedeutete schon die Auflage? Für ihn war es eine Frage des ideologischen Standpunktes. Mehmet hasste die hierarchischen Strukturen in den großen Redaktionen, wo es Ober- und Unterredakteure, Chefs vom Dienst und Aufsichtsräte gab, die einem ins Handwerk pfuschten. Er verbrachte sein Leben lieber in selbst organisierten Projekten wie dem Asian Community Center.
    Heute war wirklich wenig los. Mehmet schloss eine Wette mit sich selber ab, dass kurz vor Schluss doch noch jemand kommen würde. Draußen hinter der fast zugeklebten Scheibe tauchte ein junges Paar auf. Er hörte sie vor der Tür unschlüssig mit den Füßen scharren. Dann kamen sie herein.
    »Hallo, mein Name ist Mehmet Khan, wie kann ich Ihnen helfen?« Den Mann kannte er nicht, aber die Frau vermittelte ihm das unangenehme Gefühl, dass er sie schon mal gesehen hatte. Aber wo? In Gedanken ging er die Veranstaltungen durch, die er in den letzten Monaten besucht hatte. Auch ihr Gesicht spiegelte die Überraschung des Wiedererkennens. Na, er würde ihr einfach den Vortritt lassen.
    »Was

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