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Cut

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Titel: Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Merle Kroeger
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machen Sie denn hier? Sie sind doch der Typ, der neulich in Harmsdorf war!«
    Es klickte in seinem Kopf. Ihr Akzent, natürlich. »Und was haben Sie mit dem alten Nazi zu schaffen, ist das Ihr Großvater?«
    Ihr Lächeln verschwand. Höflichkeit war noch nie seine Stärke gewesen. Zwanzig Jahre politischer Kampf hatten ihn gelehrt, dass man besser direkt mit der Tür ins Haus fiel. Er wartete ab, was sie sagen würde. »Der Freund meiner Patentante. Das sind doch harmlose alte Leute. Was wollten Sie da?«
    Mehmet betrachtete sie. Aussehen tat sie nicht besonders deutsch. Vielleicht war sie eins dieser Patenkinder aus der Dritten Welt. Eine schreckliche Mode, damals in den Siebzigern, als sich das Bürgertum mit seiner Doppelmoral schmückte. »Hat Ihnen Ihre Patentante das nicht erzählt? Ich habe mit Hauser ein Interview über die so genannte indische Legion geführt.«
    Der Mann hatte bis jetzt nur zugehört. »Moment mal! Was hat eine indische Legion mit Harmsdorf zu tun?«, wollte er nun wissen.
    »Es ist eine alte Geschichte. Sie erzählt von einer unglückseligen Allianz aus Nationalisten, die keine Nation hatten, und Nationalisten, die ihre Nation für auserwählt hielten.« Mehmet reichte ihm die druckfrische Ausgabe der Tracks. »Lesen Sie das. Aber Sie sind sicher nicht deswegen den ganzen Weg hinter mir hergekommen.«
    Die Frau war immer noch wütend. So würden sie nicht weiterkommen. Dann schien sie sich doch noch an den Grund ihres Besuches zu erinnern.
    »Wir sind hier, weil wir Kontakt zu Organisationen indischer Ärzte in Großbritannien aufnehmen wollen. Besser gesagt, eigentlich zu einem bestimmten Arzt.«
    Mehmet merkte, dass sie aufgeregt war. Die englische Sprache kam ihr nur brockenweise von den Lippen. Er nahm sich vor, trotz seines Feierabends ein bisschen mehr Geduld aufzubringen und ihr eine Chance zu geben.
    »Dann fangen wir doch mal von vorne an. Wie heißt denn dieser indische Arzt, und was wollen Sie von ihm?«
    Sie wurde ein bisschen lockerer. »Sein Name ist Anand Kumar. Und soweit es mir bekannt ist, ist er mein leiblicher Vater.«
    Mehmet nickte. So war das also.
    Er kannte nur einen Arzt namens Kumar. Mit dem war er im Laufe einer Recherche heftig aneinander geraten, weil er ausgerechnet die Frau eines stadtbekannten Hooligans als Sprechstundenhilfe beschäftigte. So viel unpolitische Kurzsichtigkeit war schwer zu ertragen. Er würde sich hüten, dem Typen eine uneheliche Tochter auf den Hals zu hetzen und sich eine Anzeige einzufangen. Wahrscheinlich war er sowieso nicht der Mann, den sie suchte.
    Er hatte solche Geschichten schon zu Hunderten gehört. Kinder suchten ihre Eltern, Eltern ihre Kinder. Nur um am Ende, wenn überhaupt, einem fremden Menschen gegenüberzustehen. Schweigend schüttelte er den Kopf.
    Als sie weiterreden wollte, unterbrach er sie und versuchte seine Stimme nicht zu hart klingen zu lassen. »Warum suchen Sie Ihren Vater? Brauchen Sie ihn? In Ihrem Alter?« Er stand auf und sah sie an. »Ist es die Suche nach den genetischen Wurzeln? Dem exotischen Kick? Macht es Sie interessanter? Haben Sie sich schon mal überlegt, warum Ihr Vater Sie nicht gesucht hat? Vielleicht hat er einen guten Grund, sich nicht bei Ihnen zu melden!« Sie würde ihm sowieso nicht glauben, dass er ihr nur eine Enttäuschung ersparen wollte. »Sie leben doch hier und jetzt. Warum beschäftigen Sie sich nicht mit Ihrer Umwelt, die Sie zu dem gemacht hat, was Sie heute sind? Was sind das für harmlose alte Leute? Nazis, die im Gestern leben und das Heute beeinflussen.« Mal sehen, was sie ihm zu entgegnen hatte.
    »Ich bin nicht zu Ihnen gekommen, um mich moralisch zu rechtfertigen, sondern weil ich dachte, hier findet man Beratung. Aber ich habe mich wohl getäuscht.«
    Sie war sauer, verständlicherweise. Ihm fiel keine passende Bemerkung ein, er war schließlich kein Psychologe, sondern Journalist.
    Es war der Mann, der die Stille durchbrach. »Was machen Sie denn so, um die Welt zu verbessern?« Nicht schlecht.
    Mehmet grinste und folgte dem Blick des anderen durch das abgehalfterte Büro. »Lies die Zeitung«, sagte er und folgte einer spontanen Eingebung. »Wir versuchen gerade ein europäisches Netzwerk von antifaschistischen Journalisten aufzubauen. Undercover zum großen Teil. Wir brauchen immer junge unbekannte Autoren. Gerade in Deutschland. Faschismus und Ausländerhass machen nicht an den Grenzen Halt.«
    »Nein danke.« Der Junge hielt zu seiner Freundin. »Immer auf der

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