Cut
Tag über Zee-TV mit den neuesten Bollywood-Songs läuft.
Weiter rechts siehst du Nitya herumfuchteln, die zwei Männer mit einem riesigen Glaskasten in eine der Ecken dirigiert. »Hey, Cal! Guck mal, ich hab mir gerade ein Aquarium als Raumteiler gekauft. Ist das nicht cool?« Nitya bricht den Bann, denn sie sieht dich und winkt. Aber ihre Augen hören auf zu lächeln.
Cal hat euch erzählt, dass sie ihn gefragt hat, was ihr von ihm wollt. Ist sie eifersüchtig, oder hat sie nur ein gesundes Misstrauen? Du winkst zurück.
»Mattie, was stehst du da rum! Wie ist es gelaufen?« Nick platzt gleich vor Neugier.
Cal rutscht zur Seite und macht in ihrer Mitte Platz für dich.
Du kannst es nicht lassen und zögerst die Spannung noch einen Moment hinaus. Wann gibt es schon Gelegenheit für solche Auftritte?
»Er ist …« Du lässt dich zwischen den beiden auf die Couch sinken und schlägst dramatisch beide Hände vors Gesicht.
Vorsichtig riskierst du einen Blick durch deine Finger. Ja genau, so hast du dir das vorgestellt. Betroffenheit allerorten. Du lässt die Hände sinken.
»… nicht da. Praxis geschlossen. Republic Day.«
Aua! Nick hat dir ein Kissen ins Gesicht geknallt.
»Aber ist er der richtige?« Cal scheint der geeignetere Partner für eine Detektei zu sein.
»Keine Ahnung. Da war nur eine Sprechstundenhilfe.«
»Schade.« Er verzieht sich wieder in seine Sofaecke. »Und ich dachte, du würdest mit seiner Frau sprechen, und die haut ihm dann die Chapatipfanne auf den Kopf und brennt mit einem britischen Popstar durch, der dreißig Jahre jünger ist als sie. Es lebe die Zerstörung der heiligen indischen Familie!«
Du greifst nach dem Kissen und wirfst es weiter in Richtung Cal.
»Cal. Ich sehe alles.« Nitya mischt sich von hinten ein. »Alles.« Liebevoll zieht sie Cal am Ohr. Ist ja schon gut!
Nick, immer noch beleidigt, hat seine Aufmerksamkeit vorübergehend auf den Fernseher verlegt. »Guck mal, Mattie!«, versucht er sich wieder ins Spiel zu bringen. »Ist das nicht der Typ in dem Jeep vorhin?«
Cal winkt ab. »Sohan Roy. Der hat seine beste Zeit hinter sich. Schlechter Schauspieler, guter Body.« Er schenkt Nick ein anzügliches Grinsen. Cal ist heute in Hochform, anscheinend.
»Ein guter Body ist doch auch schon was.« Du lässt deinen Blick vom einen zum anderen wandern. Sollen sie doch ihre Duelle alleine ausfechten.
Nick schnappt sich die Fernbedienung und zappt durch die Kanäle. Ist er etwa verlegen?
Da! Du greifst nach seinem Arm. »Da ist Ludwig Hauser! Neben dem Typen, der gerade interviewt wird!«
»Mattie, du siehst Gespenster!« Nick will schon weiterzappen, als eine Bauchbinde erscheint. »Rahul Kher, Historiker. Kher? Cal, was sagt denn der?«
»Wenn ihr nicht still seid, verstehe ich kein Wort.« Cal ist aufgestanden und geht näher an den Fernseher heran. »Also, er spricht über Netaji Bose und dann, ja, sein Bruder hat unter Bose gekämpft. Deswegen hat er Bose sein Lebenswerk als Historiker gewidmet. Und jetzt kommt wieder die Verschwörungstheorie über Boses mysteriösen Tod und so weiter. Moment mal …«
Cal steht direkt in deiner Sichtlinie, aber am Bildrand kannst du gerade noch erkennen, wie Ludwig Hauser aufsteht und aus dem Kamerawinkel verschwindet. Dann kommt die Werbepause.
64 Empire
Nick drückte die Klingel des großen Hauses am Marine Drive.
Wieder waren sie eine Weile im Kreis herumgefahren, weil die Straße jetzt ausgerechnet Netaji Subhas Chandra Bose Drive hieß. Wenn da nicht der Bose-Experte Rahul Kher persönlich seine Hände im Spiel gehabt hatte! Alles hier sah nach kolonialem Erbe und vor allem nach sehr viel Geld aus.
Mattie kam neben ihm am Ende der Steinstufen an. »Vielleicht ist Tante Charlotte ja auch hier«, sagte sie, aber es klang keine große Begeisterung in ihrer Stimme.
Nick ging es genauso. Was war bloß los mit den beiden alten Leuten? Warum hatte Charlotte ihnen nicht erzählt, dass Hauser in Indien war?
Er merkte, dass er aufgeregt war, als sich die Tür öffnete und eine alte Dienerin vor ihnen stand. Sie verstand kein Englisch. »Mr. Rahul Kher? Ist er da?«, fragte Nick ungeduldig.
Ohne ein Wort dirigierte die Alte sie in ein riesiges Arbeitszimmer. Dann verließ sie den Raum und brachte ihnen kurz darauf ein Tablett mit zwei Gläsern Wasser. »Sir Kher gleich kommt«, sagte sie mit leiser Stimme und verschwand wieder.
Nick trat in eine etwas erhöhte Nische des Zimmers, die wie ein Museum ausstaffiert war. In
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