Cut
nicht so verschieden. Sie sind im Grunde eine Sadistin, genau wie ich.» Sie war meinem Blick nicht ausgewichen.
«Eine Sache wüsste ich gern, Margaret. Nur aus Neugier. Wussten Sie nach dem Mord an Ihrer Mutter schon, dass Sie weitermorden wollen? Oder geschah es zufällig, als Sie Anne Chambers kennenlernten? Dieses Bild auf Ihrem Schreibtisch hat mich nicht mehr losgelassen. Ihre Mutter und Anne warensich äußerlich sehr ähnlich. Und beide waren Künstlerinnen. Ist das der Grund, warum Sie sie töten mussten?»
Margaret überlegte einen Moment. Es war, als säßen wir beim Kaffeeklatsch zusammen. «Um ehrlich zu sein», antwortete sie, «wusste ich, dass etwas in mir ist, was noch nicht gestillt war. Bis ich Anne kennenlernte, wusste ich nicht, was es war oder dass es dauerhaft ist. Ungefähr so, als hätte man ein heftiges Verlangen, ohne genau zu wissen, was ein Verlangen überhaupt ist. Sie müssen mich entschuldigen. Ich hatte im Grunde nie Gelegenheit, es in Worte zu fassen. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es Worte dafür gibt.» Sie hielt ihr Glas hoch, als wollte sie mir zuprosten, und trank dann einen Schluck. «Aber es zu versuchen ist irgendwie befreiend.»
«Dann wollen Sie vielleicht eine offizielle Aussage machen. Überlegen Sie mal, wie befreiend das wäre.»
Sie lachte leicht. «Ich mag Sie, Keye. Ich habe Sie immer gemocht. Sie sind klug, und Sie sind lustig. Dass Sie glauben, ich könnte Ihnen etwas antun, macht mich todtraurig. Es ist kein Zufall, dass Sie noch am Leben sind, Keye. Ich habe Sie
beschützt
, falls Sie es nicht wissen.»
«Mich beschützt? Sie haben mir die Medien auf den Hals gehetzt, und deshalb hat man mich als Beraterin der Polizei rausgeschmissen. Sie haben meinen Wagen manipuliert, und ich wäre beinahe umgekommen. Und Sie haben meinen besten Freund angeschossen. Ich liebe ihn, Margaret, und Sie haben auf ihn geschossen.»
«Seien Sie nicht so theatralisch, Keye, das passt nicht zu Ihnen. Sie wären nicht beinahe umgekommen. Sie hatten eine Beule am Kopf. Und mit etwas mehr Verständnis hätten Sie gemerkt, dass es an der Zeit war sich zurückzuziehen. Aber das wollten Sie ja nicht. Sie sind sogar die lächerlichsten Risiken eingegangen. LaBrecque, zum Beispiel. Wir wusstenbeide, dass er ein Krimineller war. Er hat Ihnen wehgetan und Sie bedroht, und was machen Sie? Sie rennen ihm hinterher, als könnten Sie nicht genug kriegen. Haben Sie damals in diesem Haus am See nicht ein Mal daran gedacht, dass er Sie umbringen könnte? Seien Sie dankbar, Keye. Ich wollte nicht, dass Ihnen etwas angetan wird.»
Deshalb also hatte LaBrecque nie in das Opferschema gepasst. Mir fiel ein, wie ich mit meinem geschundenen Handgelenk zu Margaret gekommen war und sie sich besorgt gezeigt hatte. «Und dieser brutale Mord an Dobbs?», fragte ich sie. «Und was sollte das, mir dieses Paket zu schicken? Haben Sie das getan, weil Sie von meinen Problemen mit Dobbs wussten?»
«Ich dachte, Sie würden sich über das Paket freuen, Keye. Oder hätten Sie es lieber selbst getan?»
LaBrecque und Dobbs waren keine guten Menschen gewesen. Und beide hatten mich auf die eine oder andere Weise verletzt. Doch ihren Tod wollte ich nicht auf dem Gewissen haben.
«Und der Lieutenant», fuhr Margaret fort. «Die Sache mit Rauser hatte nichts mit Ihnen zu tun. Es geht nicht immer um Sie. Ich hatte zu ihm eine völlig eigenständige Beziehung, bevor Sie an den Tatorten aufgetaucht sind.»
«Beziehung? Zu Rauser? Margaret, kommen Sie zu sich! Ein paar wirre Briefe an einen Polizisten machen keine Beziehung. Da spricht wieder Ihre Krankheit. Sie überlistet Sie, nicht wahr? Sie wird schlimmer. Nur damit Sie es wissen, Rauser hat Sie nicht ernst genommen. Für ihn waren Sie ein weiterer, lästiger Krimineller.»
Sie lächelte. «Irren ist menschlich, Keye.»
«Ich schwöre bei Gott, wenn Sie jemals wieder in seine Nähe kommen, werde ich nicht darauf warten, dass die PolizeiSie abführt. Wenn Sie Ihr Verlangen nicht selbst kontrollieren können, Margaret, dann tue ich es für Sie.»
«Er ist sowieso uninteressant. Es sei denn, man steht auf Langweiler.» Sie sah auf ihre Uhr, stand auf, ging zur Bürotür und hielt sie für mich auf. «Danke, dass Sie hereingeschaut haben. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen, ich muss mich auf einen Mandanten vorbereiten.»
L a la, la la.
Ein Kinderlied, ohne Worte. Erst hoch, dann tief. Hochtief, hoch-tief.
La la, la la.
Immer wieder. Ein Ohrwurm.
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