Cut
im Krankenhaus ein bisschen Zeit.»
«Wie geht es Ihnen übrigens?»
«Gut», antwortete ich. Sein Interesse war mir unangenehm.
«Was beim FBI zwischen uns passiert ist, tut mir leid, Keye.»
Ich schwieg. Ich glaubte nicht, dass er irgendetwas bereute, und ich war bestimmt nicht bereit, sein Gewissen zu erleichtern. In meinen letzten Monaten beim FBI hatte ich einige Probleme gehabt. Ich kämpfte. Ich stand unter Beobachtung. Jacob Dobbs hatte einen ziemlich vernichtenden Bericht über mich geschrieben, in dem er meine Entlassung empfahl. Wenn ich mit ihm schlief, würde er sich stattdessen für einen bezahlten Urlaub aussprechen. Das gab er mir recht deutlich und unverblümt zu verstehen. Ich hätte einen Entzug gebraucht, eine helfende Hand und keinen Tritt in den Arsch. Dobbs hatte mir die Zeit beim FBI mit seinen ständigen Bemerkungen und Annäherungsversuchen beinahe unerträglich gemacht und sich dann völlig von mir abgewandt.
Rauser kehrte zu uns zurück. «Wir haben das Restaurant gefunden, in dem Brooks vor seinem Tod gegessen hat. Die Kellnerin hat ihn auf dem Foto wiedererkannt. Sie hat ihm einen Tisch gegeben und die Weinbestellung aufgenommen, weil die Schicht gerade wechselte und der neue Kellner noch nicht da war. Sie sagt, es wäre eine Reservierung für zwei gewesen, auf den Namen John Smith. Originell, was? Und bei der Weinauswahl hat er sie fast zum Wahnsinn getrieben. Er wirkte, als hätte er ein Rendezvous. Als der Kellner kam, ist sie gegangen. Die zweite Person hat sie nicht mehr gesehen. Aber wir haben Namen und Adresse des Kellners. Balaki und Williams sind schon unterwegs zu ihm. Einen Kreditkartenbeleg konnten wir nicht ermitteln. Der Typ hat alles bar bezahlt, das Essen, die Drinks, das Hotel. Verheiratet, er wollte offensichtlich keine Spuren hinterlassen.»
«Gibt es schon was aus dem Gerichtsgebäude?», fragte ich.
«Unsere Leute überprüfen noch die Überwachungsbänder. David Brooks ist das einzige Opfer, das darauf zu sehen ist, aber bisher sind wir erst sechzig Tage zurückgegangen. Brooks war fast jeden Tag im Gericht. Die Fahrstühle selbst werden leider nicht überwacht, aber die Hallen davor sind voll mit Kameras. Wir überprüfen jede Person, die nicht dort arbeitet und mehr als zweimal auftaucht. Wird noch eine Weile dauern, bis das alles gesichtet ist.»
Die Tür ging auf. «Mann, das war total verrückt», sagte Neil und ging an uns vorbei in die Küche. Er machte den Kühlschrank auf und sah dann zu Rauser. «Ich musste Charlie nach Hause bringen.» Ihm war nicht anzusehen, ob er sich fragte, was ich Rauser über den Vorfall mit Charlie erzählt hatte. Sein Blick wanderte zu Dobbs.
«Neil Donovan, Jacob Dobbs», stellte ich die beiden vor.
«Aha, Dobbs.» Neil erkannte den Namen sofort. «Der berühmte Dobbs, richtig? Nett, Sie kennenzulernen.» Er nickte Dobbs zu und drehte sich dann wieder zum Kühlschrank um.
«Apropos Charlie», sagte Rauser. «Er ist häufig auf den Bändern des Gerichts zu sehen, offenbar taucht er mehrmals die Woche dort auf. Haben meine Kollegen mir erzählt.»
Mir wurde kalt. Erst heute hatte mich Charlie daran erinnert, dass man nie wissen kann, was im Inneren eines Menschen vorgeht. Charlie hat eine bösartige Ader. Das hatte ich erlebt. Charlie, der Kurier. Charlie, der sich regelmäßig im Gerichtsgebäude von Fulton County aufhielt.
Rauser nickte. «Jeder wird überprüft, ohne Ausnahme.»
Neil lachte und öffnete eine Sodadose. «Totale Zeitverschwendung. Mann, Charlie kann sich kaum daran erinnern, mal zu baden. Er ist viel dort, weil die Kurierfirma, für die er arbeitet, Unterlagen zu Immobilien braucht und eine Menge Aktenkram für Anwälte rumkutschiert. Ich habe mich tatsächlichmal bemüht, mit ihm über sein Leben zu reden. Daher weiß ich das.» Er schaute Rauser an. «Hat dir Keye erzählt, dass sie heute ein bisschen Bruce Lee mit ihm gespielt hat? Ich musste auf dem Weg anhalten, weil er kotzen musste. Es war echt brutal.»
«Wer ist Charlie?», fragte Dobbs.
«Ein Freund», sagte ich ausweichend.
«Was war los?», wollte Rauser wissen.
«Er hat ein bisschen über die Stränge geschlagen, mehr nicht», antwortete ich.
«Über die Stränge geschlagen? Inwiefern?» Rauser lächelte nicht.
Ich verdrehte die Augen. «Beruhige dich, Cowboy. Ich bin damit fertiggeworden.»
«Wusstet ihr, dass er in einer Seitenstraße der Dekalb Avenue in einem ziemlich hübschen Reihenhaus wohnt?», fragte Neil. «Ich dachte,
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