Cut
bitte nie wieder darüber sprechen?» Ich schlich die Edgewood Avenue entlang.
«Ach nee, sie ist tatsächlich zu Reue fähig», sagte Rauser. «Gut zu wissen.»
Ich ging nicht darauf ein. «Sehr nett übrigens, dass du mir gesagt hast, dass Charlie überwacht wird.»
«Na ja, du bist auch nicht ganz ehrlich gewesen, oder?» Er hielt inne. «Was tust du gerade? Hört sich an, als würdest du gehen. Keye? Du bist ausgestiegen! Was hast du vor? Sag mir nicht, dass du bei ihm einbrechen willst.»
«Besser, du weißt von nichts», entgegnete ich und bahnte mir einen Weg durch ein paar gut gepflegte Hintergärten auf die Reihenhäuser zu.
«Scheiße», zischte Rauser. «Ich bin unterwegs.»
«Oh, sehr intelligent. Chief Connor wird sich freuen. Haltdich lieber raus, nachher geht es noch schief. Ich stelle mein Handy auf Vibration. Kümmer dich darum, dass mich jemand warnt, falls er zurückkommt, okay?»
«Keye,
warte
!»
Ich ließ das Telefon in eine der vielen Taschen meiner schwarzen Cargohose fallen, die ich immer trage, wenn ich nachts arbeite. In dem weichen Stoff kann ich mich gut und lautlos bewegen. Ich betrachtete die Reihenhäuser. Die Hintergärten waren jeweils eingezäunt. Und da ich keine Lust hatte, über drei Meter hohe Holzzäune zu klettern, musste ich darauf verzichten, mein Glück bei den Verandatüren zu versuchen, die häufig nicht abgeschlossen sind.
Ich schlich schnell um das Gebäude herum und zog mir am Haupteingang enge Gummihandschuhe an. Dann kniete ich mich hin, um das Schloss zu untersuchen. Es war ein gewöhnliches Zylinderschloss, das mit Schlüssel leicht zu öffnen ist und ohne nicht so leicht. Ich holte eine Zange und einen langen, dünnen Drahtstift aus meiner Tasche. Mit der Zange fixierte ich das Schloss und schob darüber den Stift in den Schlitz. Jedes Mal, wenn ich mit dem Stift einen Zahn im Zylinder hochdrückte und er einrastete, hörte ich ein leises Klicken. Fünfmal klickte es, noch etwas Druck mit der Zange und dem Zylinder, dann konnte ich Charlie Ramseys Haustür aufdrücken. Und in dem Moment hörte ich einen Ton, den ich um nichts auf der Welt hatte hören wollen. Es piepte. Eine Alarmanlage. Der bekloppte Charlie hatte eine Alarmanlage.
Mist
. Mir blieben fünfundvierzig, vielleicht sechzig Sekunden, bevor die Hölle losbrach.
Das Haus war gut eingerichtet, hauptsächlich in Erdtönen, eine typische Männerwohnung. Über dem Kamin hing ein Fernseher, davor stand ein Ledersofa mit Stahlnieten und ein Sessel. Der Fernseher lief.
Da ich die paar Sekunden so gut wie möglich nutzen musste, ging ich geradewegs zur Treppe. Wenn jemand etwas verstecken will, dann tut er das nicht im Wohnzimmer.
Oben gab es zwei Zimmer. Im zweiten lag eine Matratze ohne Bettgestell auf dem Boden, auf der zwischen den Decken verstreute Zeitungen und Magazine, Zeitungsausschnitte und ein Laptop lagen. Auf einem Nachtschränkchen standen ein paar Coladosen und eine Flasche des Gleitmittels
Astroglide
.
Im Grunde wusste ich gar nicht, wonach ich suchte. Vielleicht wollte ich nur irgendetwas finden, was Charlie entlastete. Mein Freund Charlie. Der komische, bekloppte Charlie, der vergessen hatte, seine Medikamente zu nehmen, und einfach ausgeflippt war, als ich ihn versetzt hatte. Charlie, der so süß in mich vernarrt war. Ich wollte meinen dunklen Ahnungen nicht glauben.
Ich zog eine Schublade der Kommode auf. Magazine, Pornos, Hetero-Lederzeug, Bondage, S/M. Unter den Magazinen ein Buch, ausgerechnet von Jacob Dobbs, mit dem Titel
Das kriminelle Verhalten von Serienvergewaltigern.
Ich sah mich verzweifelt um. Neben dem Schrank stand ein kleiner Safe, gut fünfzig Zentimeter tief, den man in einem Schreibwarenladen für seine Dokumente kaufen kann. Er war natürlich verschlossen. Ich hob ihn an. Schwer. Mir lief die Zeit davon. Wie lange war ich schon hier? Zwanzig Sekunden, vierzig?
Die Zeitungsausschnitte auf der Matratze stammten aus dem
Atlanta Journal Constitution
, der
New York Times
und dem
Time Magazine
und betrafen ausschließlich die Wunschknochen-Fälle. Ich durchblätterte sie und versuchte zu erfassen, was in diesem Zimmer vor sich ging, in Charlies Kopf. Und dann sah ich ein Bild aus der
Washington Post
von Rauserund mir am Tatort des Mordes an Brooks, vor uns das Absperrband. Die Zeile unter dem Bild lautete:
«Kriminalbeamte auf dem Weg zu einem weiteren blutigen Tatort. Hat erneut der Wunschknochen-Mörder genannte Serientäter zugeschlagen?»
Unsere Köpfe
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