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Cut

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Titel: Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Kyle Williams
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dieses Ausmaßes zu begehen? Um einen Tatort sauber und manipuliert zu hinterlassen? Dazu musste man doch völlig klar sein. War Charlie das? Ich glaubte es nicht, und ich glaubte ebenso wenig, dass die charakteristische Handschrift dieser Taten, das Stechen in den Genitalbereich und andere Inszenierungselemente, zu Charlie passten. Außerdem hatte er offenbar keine Verbindung zu Florida, wo die Mordserie begonnen hatte. Oder hatte sie gar nicht in Florida begonnen? Wie viele weitere, bisher nicht einbezogene Morde hatte dieser Serientäter begangen? Ich erinnerte mich daran, wie Charlie und ich die Feigen gegessen hatten.
Ich kann Fische echt schnell ausnehmen.
War der Wunschknochen-Mörder so einfach gestrickt? Interpretierte ich zu viel in die Taten hinein?
    Ich rief Neil zurück. «Kannst du mal überprüfen, ob es inNew York und besonders in der Gegend von Ithaca während der Zeit, als Charlie in Cornell war, Mordfälle gegeben hat, bei denen Stichverletzungen im Genitalbereich festgestellt worden sind?»
    «Bin schon dabei», sagte Neil.
    Ich musste mehr über Charlie Ramsey erfahren, ich musste wissen, wo er wohnte, und vor allem, wie er wohnte. Ich sah hinaus auf die Peachtree Street. Mittlerweile war es dunkel geworden, die Spätsommersonne war verschwunden.

23
    A n den Reihenhäusern, die vor drei Jahren an der Dekalb Avenue gebaut worden waren, war ich alle paar Tage auf dem Weg von Atlanta zu meinen Eltern in Decatur vorbeigekommen, aber natürlich ohne zu wissen, dass Charlie in einem dieser Häuser wohnte. Irgendwie hatten wir immer angenommen, dass Charlies gesundheitliche Probleme auch eine Menge finanzieller Probleme nach sich zogen. Oder war uns das nur suggeriert worden? Ich versuchte mich zu erinnern, wie ich überhaupt auf den Gedanken, dass er in einem betreuten Heim wohnte, gekommen war. Charlie hatte mir einmal erzählt, dass eine Kirchengemeinde ihn in ihr Arbeitsprogramm aufgenommen hatte. Vielleicht deshalb. Vieles passte nicht zusammen. Wenn Charlie tatsächlich Geld hatte, warum brauchte er dann einen Job? In seiner Diagnose wurde von «emotionalen Problemen» gesprochen. Ich nahm an, dass er in Therapie war. Wahrscheinlich, damit er ein funktionierender Teil einer Gemeinde werden konnte. Und bestimmt brauchte er Unterstützung dabei, eine Arbeit zu finden. Nicht ganz einfach für einen Typen, der schief geht und undeutlich spricht, stellte ich mir vor.
    Ich stand am Straßenrand in dem Wagen, den ich für Überwachungszwecke benutze, einem weißen Plymouth Neon. Von diesem Fahrzeugtyp gibt es Millionen in Atlanta, er fällt nicht auf. In einem geschniegelten Vorort wie Buckhead wäreer vielleicht nicht die beste Wahl, doch innerhalb der Stadtgrenzen Atlantas war man damit praktisch unsichtbar. Die weiße Farbe war inzwischen eher grau und die Motorhaube leicht verbeult. Ich war an einer Ampel gegen den Ersatzreifen eines Geländewagens gekracht, als ich während des Fahrens eine SMS schrieb. Lektion gelernt.
    Ich war nicht allein hier draußen in Edgewood. Zwei von Rausers Detectives, Balaki und Williams, standen einen halben Block weiter. Man konnte sie nicht leicht erkennen, denn die ganze Straße war mit geparkten Autos gesäumt, doch als ich aus der anderen Richtung gekommen war, hatte ich Williams gleich gesehen, dann Balaki am Steuer erkannt. Rauser hatte gar nichts davon gesagt, dass Charlie überwacht wurde. War das ein Hinweis gewesen, als er Charlies häufiges Auftauchen im Gerichtsgebäude erwähnte? Er schien sehr besorgt, als er erfuhr, dass Charlie über die Stränge geschlagen hatte, aber die Sorge war typisch für Rauser. Mir war aufgefallen, wie sein Unterkiefer arbeitete. Wusste Rauser mehr über Charlie, als er mir gegenüber preisgeben wollte? Oder hatte lediglich eine Routineüberprüfung die gewalttätigen Collegejahre von Charlie, den Tod seiner Eltern, das riesige Erbe und die Einzelheiten über den Unfall, der sein Gehirn geschädigt hatte, zum Vorschein gebracht? Die Informationen reichten jedenfalls offensichtlich aus, um im Polizeirevier die Alarmglocken schrillen zu lassen.
    Ich schaute wieder auf die hübschen Reihenhäuser, hinter denen die Edgewood Avenue und der Inman Park lagen. Manchmal ging irgendwo ein Licht an oder aus. Ich versuchte mir vorzustellen, wie Charlie aufstand, um sich etwas aus dem Kühlschrank zu holen oder ins Badezimmer zu gehen, aber es gelang mir nicht. Ich konnte mir kein Bild mehr von ihm machen. Ich musste die Vorstellung

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