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Cut

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Titel: Cut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Kyle Williams
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geöffnet. So leger hatte ich ihn noch nie gesehen. Er legte einen Notizblock vor sich, zog einen Stift aus seiner Hemdtasche und schnippte ein paarmal mit dem Daumen dagegen.
    Rauser ging weiter auf und ab.
    Dann öffnete sich die Tür des Vernehmungszimmers, und Charlie wurde von einem uniformierten Polizisten hereingeführt. Balaki und ich nahmen Platz. Charlies rechtes Auge war dunkelblau und geschwollen, seine Nase mit Heftpflaster überzogen.
    «Hey», meinte Balaki. «Sie haben aber echt die Scheiße aus ihm rausgeprügelt, was, Street?»
    Charlies schiefes Lächeln war wieder da. Ebenso die komische Angewohnheit, den Kopf zu neigen und die Knie ganz leicht nach innen zu biegen. Alles erweckte den Eindruck, dass mit Charlie etwas nicht ganz stimmte. Das war der Charlie, an den ich mich gewöhnt hatte, den ich sogar liebgewonnen hatte. Wenn er in diesem Moment schauspielerte, wenn er in all den vergangenen Jahren geschauspielert hatte, dann war er sehr gut darin.
    Charlie war um halb sieben am Morgen verhaftet worden. Die Polizisten hatten an seine Tür gehämmert und ihm mitgeteilt, dass er der Nötigung und der versuchten Vergewaltigung beschuldigt wurde. Dann hatten sie ihn auf seine Rechte hingewiesen und abgeführt. Rauser hatte die Verhaftung absichtlicham frühen Morgen vollziehen lassen. Er wollte, dass Charlie unausgeruht war. Während der darauffolgenden Anhörung hatte Charlies Anwalt, Ricky Stickler, dargelegt, dass keine Fluchtgefahr bestand, dass Charlie nicht einmal einen Führerschein oder eine Kreditkarte besaß und dass er unter ärztlicher Aufsicht stand. Der stellvertretende Staatsanwalt hatte dagegen geltend gemacht, dass Charlie schon früher wegen Gewalttätigkeit gegen Frauen auffällig geworden war und zudem wegen anderer Verbrechen vernommen und deshalb vor Gericht gestellt werden musste, doch der Richter hatte gesagt, dass weder die Beweise noch die Gründe ausreichten, um den Verdächtigen in Gewahrsam zu nehmen, und dass frühere, abgeschlossene Fälle aus anderen Staaten nicht zugelassen werden konnten. Solange Charlie absolut keinen Kontakt mit dem mutmaßlichen Opfer – also mit mir – hatte, würde er eine Freilassung auf Kaution erwägen. Wenn Charlie einer Vernehmung zustimmte, würde die Kaution auf fünfzigtausend Dollar festgesetzt werden.
    Ricky Stickler stolzierte ins Vernehmungszimmer, setzte sich neben Charlie und tätschelte seine Hand. «Sie sind hier im Nu wieder raus, Charlie. Der Papierkram wird schon erledigt.»
    Williams verschränkte die Arme, lehnte sich zurück und deutete mit einem Nicken auf Charlies Anwalt. «Hochangesehene Kanzlei. Ziemlich teuer für einen Fahrradkurier.»
    Ein paar Minuten beobachteten wir die beiden Männer auf der anderen Seite des Fensters. Stickler löste seine Krawatte und zog sein Jackett aus. Die Hitze im Raum zeigte Wirkung. Sein weißes Hemd war zerknittert.
    Rauser schaute auf die Uhr, tippte eine Nummer in sein Telefon und wartete. «Wo zum Teufel bleibt denn unser neuer Superstar? Das Arschloch geht nicht mal ans Telefon. Williams,komm mit. Wir warten nicht länger.» Er stopfte sich das Hemd in die Hose und grinste. «Wie sehe ich aus?»
    «Supersüß», sagte Balaki, und alle lachten. Bullenhumor. Ich verstand ihn nicht immer.
    Balaki und ich schauten zu, wie erst Williams ins Vernehmungszimmer schlenderte, dann Rauser. Der Raum war trist, nur ein Tisch, vier Stühle, an den Wänden ein paar alte Heizungsanschlüsse. Keine Fenster. Rauser setzte sich auf einen Stuhl Ricky Stickler und Charlie gegenüber und ließ einen Aktenordner auf den Tisch fallen. Williams setzte sich ans Tischende.
    «Entschuldigen Sie die Hitze. Aber so ist das eben in alten Gebäuden, nicht wahr? Wollen Sie ein Wasser oder so?» Rauser wartete auf die Antwort, die Nein danke lautete, betrachtete dann Charlie einen Moment und lächelte freundlich. Ich sah die Falten an seinen Augenwinkeln. «Mensch, Charlie, was ist denn mit dir passiert? Bist du vom Fahrrad gefallen, oder was? Du bist ziemlich übel zugerichtet, Kumpel.»
    «Ich weiß, dass Sie böse sind», sagte Charlie. Er nuschelte wieder vertraut. Ganz leicht, wie jemand, der ein Glas Wein zu viel getrunken hat. «Es tut mir so leid. Es tut mir total leid. Ich liebe sie. Ich wollte das nicht.»
    Rauser nahm den Ordner und schien darin zu lesen. «Hier steht, dass du so etwas schon dreimal getan hast, Charlie. Hast du es damals gewollt?»
    «Lieutenant», schaltete sich Stickler ein. Er war

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