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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Inkarnation ausgesät haben muß. Die Urstaub-Theorie ist damit bestätigt. Und ich werde endlich wissen – jenseits aller Zweifel –, daß ich nicht die ganze Zeit nur verrückt war.«
    Maria war benommen wie nach einem Schlag über den Schädel. Etwas in ihr wollte diesem bereitwilligen Eingehen auf Durhams Spinnerei ein Ende machen – es war nicht richtig, seine Ideen ernst zu nehmen. Auf der anderen Seite schien Durham mit seinen Theorien so unglaublich daneben zu liegen, daß sie meinte, ihm nachweisen zu müssen, worin denn genau sein Denkfehler bestand. Sie durfte ihn nicht einfach als Verrückten abtun und sich weigern, ihm weiter zuzuhören.
    Sie sagte: »Sie wollen sich in einem Zellularautomatenuniversum wiederfinden? Sie meinen aber nicht etwa das Autoversum …«
    »Selbstverständlich nicht. Es gibt keine Möglichkeit, einen Menschen in die Autoversum-Biochemie zu übertragen.«
    »Was denn?«
    »Es gibt einen Zellularautomaten namens TVC … nach Turing, von Neumann und Chiang. Chiang hat die Arbeit seiner beiden Kollegen um 2010 herum zu Ende geführt – er schuf eine effektivere, elegantere Version der Maschine, die von Neumann vor fast hundert Jahren vorgeschlagen hat.«
    Maria nickte widerwillig. Davon hatte sie schon gehört, aber es war nicht so ganz ihr Gebiet. Sie wußte, daß John von Neumann und seine Schüler einen zweidimensionalen Zellularautomaten entwickelt hatten – eine kleine Welt für sich, ein abgeschlossenes System, in das man eine Reihe von »Zellen« mit hoch spezifischen, sorgfältig ermittelten Eigenschaften einbettete. Eine »Maschine«, die wie aus Lego-Bausteinen zusammengesetzt war und nicht nur als universeller Rechner, sondern auch als universeller Konstrukteur arbeitete. Richtig programmiert – indem eine Gruppe von Zellen nicht als Teil der Maschine, sondern selbst als Programm definiert wurde –, konnte sie jede denkbare Berechnung durchführen und dazu noch jeden denkbaren Gegenstand herstellen. Einschließlich eines Duplikats von sich selbst – das wiederum ein neues Duplikat herstellen konnte und so weiter. Kleine selbstreproduzierende Spielzeugcomputer konnten so endlos das Licht der Welt erblicken.
    Maria sagte: »Chiangs Version war dreidimensional, wenn ich mich nicht irre …«
    »Viel besser: n-dimensional. Vier, fünf, sechs Dimensionen – soviel Sie wollen. Das ergibt eine Menge Platz, um die Daten so zu deponieren, daß sie von jeder Stelle aus leicht zugänglich sind. Mit ihren nur zwei Dimensionen mußte die ursprüngliche von-Neumann-Maschine für jedes zusätzliche Bit immer weiter ausgreifen – und wurde dadurch immer langsamer. Bei einem sechsdimensionalen TVC-Automaten können Sie ein dreidimensionales Gitter aus Einzelcomputern aufbauen, das praktisch unbeschränkt weiterwachsen kann – und jeder einzelne verfügt über einen eigenen, noch einmal dreidimensionalen Arbeitsspeicher, der sich beliebig vergrößern läßt.«
    Einigermaßen benommen sagte Maria: »Und wie passen Sie Ihrer Meinung nach in all das hinein? Wenn Sie die Umsetzung der menschlichen Biochemie in die Kategorien des Autoversums für schwierig halten, wie wollen Sie sich dann in eine sechsdimensionale Welt übertragen, die nur dazu entworfen ist, von-Neumann-Maschinen zu unterstützen?«
    »Das TVC-Universum ist ein einziger großer, sich immerzu ausdehnender Prozessor-Cluster. Es betreibt eine Kopie von mir …«
    »Ich dachte, es ging die ganze Zeit darum, daß wir die Kopien endlich vergessen können!«
    » … in einer VR-Umgebung, die mir erlaubt, mit der TVC-Ebene zu interagieren. Ja, ich werde noch immer nichts weiter als eine zusammengeschusterte Kopie sein – wie gehabt, daran führt kein Weg vorbei –, aber ich bin ebenso mit dem Zellularautomaten selbst verbunden. Ich beobachte, was er tut, ich lerne die Gesetzmäßigkeiten kennen, denen er folgt. Indem ich ihn beobachte, mache ich mich zu einem Teil dessen, was ich zu erklären versuche.
    Und wenn das vermittels eines tatsächlich existierenden Computers simulierte TVC-Universum plötzlich abgeschaltet wird – dann ist die beste Erklärung für das, was ich erlebt habe, ein Weiterexistieren dieses Universums – eine Existenz, die allein aus Staub besteht!«
    Maria sah es fast zum Greifen nah vor sich: ein riesiges Gitterwerk aus Computern. Ein Saatkorn von Ordnung in einem Ozean aus chaotischem Rauschen. Es wuchs und wuchs, erweiterte sich stetig – durch nichts als die zwingende Kraft seiner inneren

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