Cyber City
können es uns nicht erlauben, mehr als eine Kopie zu ›wecken‹, solange wir das Ganze auf einem realen Computer laufen lassen. Keine außer der meinen. Was Sie betrifft – Ihre Daten würden nie benutzt werden, um eine Kopie zu betreiben; es geht nur darum, daß Sie im System vorhanden sind, komplett, und zur Verfügung stehen. Sie könnten draußen am Terminal sitzen und die Operation überwachen – so daß Sie auch sicher sein können, daß ich mein Wort halte.«
Das alles trug nicht das geringste dazu bei, Maria zu beruhigen, im Gegenteil – obwohl es einen Augenblick dauerte, bis sie in Durhams stets unfehlbar wirkender logischer Argumentation einen schwachen Punkt entdeckte.
»Und Sie – der Sie nicht bezweifeln, daß ich eines Tages ›erwache‹ – werden glücklich sein, mich dort zu haben, wohin Sie mich mit falschen Versprechungen gelockt haben. Habe ich recht?«
Ihre Anschuldigung schien Durham tatsächlich zu verblüffen. »Falsche Versprechungen? Warum? Ich habe Ihnen alles gesagt, was zu sagen ist – und ich habe Ihnen meinen Standpunkt klargemacht, so gut ich konnte. Es ist nicht meine Schuld, wenn Sie mir nicht glauben. Soll ich vielleicht ein schlechtes Gewissen haben, weil ich recht habe?«
Maria wollte antworten, aber dann kamen ihr Zweifel, ob die Sache es wert war zu streiten. Schließlich sagte sie: »Vergessen Sie's. Es ist mit egal, ob Sie ein schlechtes Gewissen haben oder nicht – Sie werden nicht in die Versuchung kommen, meine Daten zu erwecken. Es wird keinen Scan von mir geben, soviel steht fest.«
Durham nickte langsam und feierlich. »Wie Sie wollen.«
Maria verschränkte die Arme vor der Brust, als wolle sie sich dahinter verkriechen. Sie zitterte und fror. Hatte sie nicht befürchtet, daß sie diesen Mann ausnutzen könnte? Sie ihn … Wenn das, was er vorhatte, tatsächlich nicht illegal war, warum sollte sie dann die Arbeit nicht zu Ende bringen? Und das Geld nehmen … Sollte seine Kopie doch glauben – wenigstens für einige Sekunden –, auf dem Weg in das Paradies der Kopien zu sein, warum nicht. So oder so, es würde genau darauf hinauslaufen – wie immer sie sich entschied. Die fünfzehn Zweitversionen, die ihn auf seiner Reise begleiteten – sie würden schlafen, wären so gut wie tot, als hätte es sie nie gegeben. Das war kein Massaker, kein Jonestown in irgendeinem Sinne.
»Ich würde Ihnen sechshunderttausend Dollar bezahlen.«
Maria sagte: »Meinetwegen sechs Millionen … Nein danke!« Sie hatte es herausschreien wollen, aber aus ihrem Mund kam nur ein heiseres Flüstern.
Mit sechshunderttausend Dollar konnte sie Francescas Leben retten.
18
(Vergib nicht den Mangel)
Mai 2051
Es schien Peer, als würde er mit Kate schlafen, doch dann begann er daran zu zweifeln. Er lag auf weichem, trockenem Gras, und über der gewaltigen, nicht enden wollenden Wiese lachte die Sonne am Himmel, eine angenehme, nicht zu heiße Sonne. Kates Haar war länger als sonst und kitzelte auf seiner Haut, während ihr Mund küssend über seinen Körper wanderte. Schwere Locken streichelten ihn, und die erotisierende Wirkung ihrer Berührung war so stark, so klug berechnet, daß er nicht an einen Zufall glauben mochte. Grillen zirpten, Vögel sangen. Er mußte an David Hawthorne denken, der einmal eine lang ersehnte Freundin unter freiem Himmel geliebt hatte; es war auf der Rückfahrt nach London, sie kamen aus Yorkshire, von der Beerdigung ihres Vaters, und zuerst hatten sie es für eine gute Idee gehalten … Das hier war anders: Es gab keine Zweige, keine Steine auf dem Boden, keine Kothaufen. Keine feuchte Erde, keine Grasflecken, kein Pieksen, wie man sich auch drehte und wendete.
Die makellose, untadelige Wiese war an sich kein Grund zum Argwohn; Peer und Kate gehörten beide nicht zu der Sorte Kopien, die fanatisch – und nicht ohne masochistische Züge – die Wirklichkeit bis ins kleinste, lästige Detail nachzubilden versuchten. Guter Sex war gleichermaßen eine Frage der Wahl. Aber Peer fragte sich, ob das alles tatsächlich mit Kates Einverständnis geschah. Monatelang hatte sie ihn auf Distanz gehalten. Er hatte sich in dieser Zeit die Erinnerungen ihres letzten Zusammenseins vorgespielt – und nun konnte er nicht ganz ausschließen, daß er sich selbst zum Narren hielt und beschlossen hatte, sich vorzutäuschen, was er nicht bekommen konnte. So weit war er bisher noch nie gegangen – soweit er das in diesem Augenblick beurteilen konnte. Aber da
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