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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Kunstwerk befand, nicht im wirklichen Leben. Aber alles war sehr dezent, die Künstlerin hatte auf sichtbare Pinselstriche oder van Goghsche Lichteffekte verzichtet.
    Die Ästhetik wurde von einem Interfacefenster verletzt, das vor ihm über dem futterübersäten lehmigen Boden schwebte. Das Klon-Programm bestand stur auf der Einhaltung einer umständlichen Prozedur zur Feststellung seines Einverständnisses. Immer wieder sagte Peer: »Bitte spring doch zur abschließenden Frage – ich weiß genau, was ich tue«, aber es half nicht; kleine Sinnbilder mit Talar und Perücke öffneten sich immer wieder zu Fenstern und erklärten geduldig: »Sie müssen zuerst diesen Hinweis lesen! Beachten Sie jedes Wort! Ihr Quasigehirn wird daraufhin überprüft, ob Sie alles verstanden haben, bevor wir zum nächsten Schritt übergehen!«
    Es war tausend Mal komplizierter als AUSZUSTEIGEN, das wußte er – schließlich war er fast einmal so weit gewesen –, aber das war auch nicht weiter verwunderlich, denn für die Leute draußen ergaben sich durch das AUSSTEIGEN keine legalen Probleme. Peers Vermögen wurde von einer Treuhänderin verwaltet, die vertraglich dazu verpflichtet war, » … allen hinreichend autorisierten Anweisungen zu entsprechen, einschließlich – aber nicht ausschließlich darauf beschränkt – der durch visuelle und/oder akustischen Simulationen menschlicher Wesen erzeugten …« Was hinreichend autorisiert bedeutete entsprang einem neunundneunzigstelligen Zifferncode, der in Peers Quasigehirn quasi-verankert worden war, als er aus seiner Scan-Datei ins Leben gerufen wurde. Er konnte den Code sogar aufsagen, wenn es aus irgendeinem Grund, irgendeinem Notfall nötig sein sollte – aber normalerweise genügte die willentliche Absicht, hinreichend autorisiert zu sein. Er konnte eine Videopostkarte bespielen und mußte sich nur wünschen, daß sie hinreichend autorisiert war, und fertig. Außer in dem Fall, daß der Code gestohlen wurde – indem man ihn aus den gespeicherten Daten herausriß, die sein Gehirn darstellten –, war Peer das einzige Programm auf der ganzen Welt, das seiner Treuhänderin Anweisungen geben konnte, die mit ihrem eigenen Schlüssel dechiffrierbar waren. Dieser Code war das, was dem Paß eines Menschen noch am nächsten kam.
    Das Gesetz schrieb vor, daß jeder Klon, den eine Kopie von sich anfertigte ließ, einen eigenen neuen Code erhielt. Es war Sache der ersten, originalen Kopie, vor der Klonierung das Vermögen zwischen den beiden zukünftigen Individuen aufzuteilen – genauer gesagt, zwischen den beiden Portfolios des Treuhänders.
    Peer kämpfte sich durch den vorgeschriebenen Weg, um der Klonierungsprozedur klarzumachen, daß er tatsächlich meinte, was er von Anfang an gesagt hatte: Der Klon würde kein eigenes Vermögen benötigen. Peer würde den Klon nur dulden und die erforderliche Rechenzeit selbst bezahlen. Es war nicht seine Absicht, diese Zweitversion länger als zwei oder drei Minuten existierten zu lassen, nur eben lang genug, um sich selbst davon zu überzeugen, das er das Richtige tat.
    Fast wünschte er sich, daß Kate jetzt bei ihm wäre. Sie hatte ihm angeboten, bei ihm zu sein, aber er hatte abgelehnt. Er wäre über ihre Unterstützung froh gewesen, aber das hier mußte er allein erledigen.
    Endlich sagte das Programm: »Dies ist die letzte Möglichkeit, den Vorgang abzubrechen. Sind Sie sicher, daß Sie fortfahren wollen?«
    Peer schloß die Augen. Wenn ich mein Original auf der Veranda sitzen sehe, dann werde ich wissen, wer ich bin – und ich werde es akzeptieren.
    Er sagte: »Ja, ich bin sicher.«
    Peer spürte keine Veränderung. Er öffnete die Augen. Sein neu erschaffener Zwilling stand vor ihm an der Stelle, wo sich eben noch das Interfacefenster befunden hatte, und starrte ihn mit geweiteten Augen an. Peer erschauderte. Er erkannte den Knaben als sich selbst – und nicht nur intellektuell: Kates Szenario beinhaltete Modifikationen seines Gehirns, die ihn das Bild des zehnjährigen Bauernjungen als sein eigenes Ich empfinden ließen, so daß ein Blick in den Spiegel ihn genausowenig schockierte wie das Gefühl, das er beim Bewegen seiner Glieder empfand. Nicht die Tatsache, sich in dieser Gestalt zu sehen, schockierte ihn, sondern daß er den Klon – und sich selbst – tatsächlich für so jung hielt, wie sie beide aussahen. Wie konnte er nur dieses Kind in ein Exil verbannen?
    Peer schob den absurden Gedanken beiseite. »Nun?«
    Der Klon schien

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