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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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war ein Hauch von Erinnerung, daß er für den Fall, daß es jemals dazu kommen sollte, alle nötigen Vorkehrungen getroffen hatte, damit die Täuschung so gründlich wie möglich gelang.
    Er war sich absolut sicher, daß Kate mit ihm geflirtet hatte, während sie Carters Stadt besichtigten; an der Tür nach draußen hatte sie begonnen, ihn auszuziehen. Er hatte alle Sicherungen abgeschaltet, die den Zugriff auf seinen Körper einschränkten, als Kate sein Hemd aufknöpfte. Mit einem Aufschrei des Entzückens – oder Erschreckens – hatte er gefühlt, wie ihn während des Vorspiels – das sich auf das physisch Mögliche beschränkte – eine zweite, unsichtbare, zwanzigmal größere Kate gepackt hatte, zum Mund hob und mit ihrer Riesenzunge seinen Körper ableckte, vom Kopf bis zu den Zehenspitzen. Eine Riesin, die den Zuckerguß von ihrem Kuchenstück leckte.
    Es war durchaus nicht unwahrscheinlich. Wenn Kate sich nach langer Pause entschlossen hatte, wieder mit ihm zu schlafen, dann wollte sie auch ihre Spielchen mit ihm spielen. Aber es bewies nichts. Er selbst konnte diese Szene erfunden, ja entworfen haben – auf der Grundlage dessen, was er über sie wußte … oder schlimmer: Vielleicht hatte es zuerst seine Phantasie gegeben, und dann hatte er sein »Wissen« über sie so lange modifiziert, bis es dazu paßte. Wie dem auch war: Möglich, daß die Software eine falsche Fährte gelegt hatte, mit dem gemeinsamen Besuch bei Carter als Ausgangspunkt – eine Kette falscher Erinnerungen, die schlüssig bis zu diesem Augenblick führte. Jedes Wissen um die Täuschung wäre ihm verschlossen, würde vorläufig unterdrückt werden.
    Kate lag einige Augenblicke reglos auf ihm, dann schüttelte sie den Kopf. Schweißtropfen fielen auf seinen Kopf und die Brust, und sie sagte: »Bist du wirklich? Oder treibst du dich Gott weiß wo herum?«
    »Dasselbe wollte ich dich gerade fragen!«
    Sie lächelte boshaft. »Ah … Dann hat wohl der Körper, den du so gerne für den meinen halten möchtest, dich zuerst gefragt – damit du nicht auf böse Gedanken kommst?«
    Eine einsame Wolke tauchte auf dem Stückchen Himmel auf, das über ihrer Schulter zu sehen war. Gemächlich nahm sie immer neue Formen an, bis schließlich eine Karikatur der beiden Körper unten auf der Wiese entstanden war.
    Er sagte: »Um dann ein solches Eingeständnis zu machen?«
    Kate nickte. »Natürlich.« Langsam löste sie sich von ihm. »Genau aus diesem Grund. Wie oft – und aus wie vielen verschiedenen Perspektiven – muß man dich täuschen, bevor du endlich sagst: ›Scheiß drauf, was kümmert's mich!‹«
    Sie hob ihren Körper an, bis sie sich kaum noch berührten. Er schloß die Augen und leckte den Schweiß aus der Rinne zwischen ihren Schulterblättern – ohne seine Stellung zu verändern. Sie revanchierte sich und steckte ihre Zungenspitze surrealistisch gleichzeitig in seine beiden Ohren. Er lachte und schlug die Augen auf.
    Die Wolke hatte sich dunkel verfärbt. Kate ließ sich wieder auf ihn sinken, und er spürte ihr leichtes Zittern.
    Sie sagte: »Ist es nicht ironisch?«
    »Was?«
    »Daß sich körperlose Wesen lieben …? Wir stimulieren Nervenbahnen, deren ursprüngliche Bestimmung der Erhaltung der Art diente. Wir tun es noch immer, obwohl es keinen Zweck mehr erfüllen kann.«
    »Nein«, sagte Peer, »das ist nicht ironisch. Ich habe meine Ironie rausgeschnitten. Ich hatte die Wahl: Entweder das oder Kastration.«
    Sie lächelte zu ihm herab. »Weißt du was? Ich liebe dich … aber ich denke nicht im Traum daran, es dir zu sagen. Oder bist du albern genug zu glauben, ich hätte es gesagt?«
    Ein wohltuender warmer Regen ging auf sie nieder.
    Er sagte: »Es ist mir egal, egal, egal.«
     
    Peer saß auf der untersten der vier hölzernen Stufen, die zur hinteren Veranda des elterlichen Farmhauses führten, und besah seine bloßen Füße und die braungebrannten dünnen Armchen. Ein zehnjähriger Bauernjunge in der Abenddämmerung. Kate hatte das Szenario samt Körper für ihn entworfen, und er mochte es sehr. Er liebte die Ruhe, die friedliche Stimmung des Bildes. Es gab keine (erfundene) Familie, keine Rolle, die er zu spielen hatte; es war wirklich nur ein Bild, kein Drama. Ein einziger Ort, ein einziger, festgefrorener Augenblick, der so lange währte, wie er wünschte.
    Das Bild war nicht fotografisch genau – kleine Freiheiten in Form, Farbe und Oberflächenstruktur erinnerten ihn jederzeit daran, daß er sich in einem

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