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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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verwirrt. »Ich …«
    Peer half ihm. »Du weißt, was ich hören möchte. Bist du bereit dazu? Bist du mit deinem Schicksal einverstanden? Habe ich die richtige Entscheidung getroffen? Du bist derjenige, der es jetzt wissen muß.«
    »Aber ich weiß es nicht!« Flehentlich blickte er Peer an, als suche er nach Rat. »Warum tue ich das alles? Sag es mir!«
    Peer war erstaunt, aber eine gewisse Orientierungslosigkeit war zu erwarten gewesen. Die eigene Stimme erschien ihm dank der neuralen Anpassungen normal – aber der Klon sprach immer noch wie ein verängstigtes Kind. Freundlich sagte er: »Kate. Wir wollen doch mit ihr Zusammensein. Mit beiden Kates …«
    Der Klon nickte inbrünstig. »Ja, natürlich.« Ein nervöses Lachen. »Natürlich bin ich bereit. Alles in Ordnung.« Seine Augen blickten gehetzt über den Hof, als suchte er nach einem Fluchtweg.
    Peer fühlte, wie sich seine Brust zusammenschnürte. Er bemerkte mit ruhiger Stimme: »Du mußt nicht weitermachen, wenn du nicht willst. Du weißt das. Du kannst jederzeit AUSSTEIGEN, wenn dir das lieber ist.«
    Das brachte den Klon noch mehr aus der Fassung. »Aber nein! Das will ich nicht! … Ich möchte mit Kate gehen.« Er zögerte, dann fügte er hinzu: »Sie wird dort glücklicher sein, sicherer als hier. Und ich möchte bei ihr sein, ich möchte diese Seite ihres Lebens kennenlernen.«
    »Und was stimmt dann nicht?«
    Der Klon sank auf die Knie, in den Dreck. Einen Augenblick dachte Peer, er würde schluchzen – bis er erkannte, daß das Geräusch ein Lachen war.
    Der Klon gewann seine Fassung zurück und sagte: »Nichts, es ist nichts – aber wie soll ich das deiner Meinung nach aufnehmen? Nur wir beide, abgeschnitten von allem anderen. Nicht nur von der realen Welt, sondern auch von den anderen Kopien.«
    Peer sagte: »Wenn ihr euch einsam fühlt, könnt ihr jederzeit neue Kopien erzeugen. Ihr habt Zugang zu der nötigen Ontogenese-Software – und es gibt keinen Grund, aus dem ihr euch um den Verlangsamungsfaktor Gedanken machen müßtet.«
    Der Klon begann von neuem zu lachen, bis ihm Tränen über das Gesicht liefen. Er schlang die Arme um sich, taumelte dann und fiel auf die schmutzige Erde. Peer betrachtete die Szene mit einigem Erstaunen. Der Klon sagte: »Da versucht man, seinen ganzen Mut fürs Heiraten zusammenzunehmen, und schon kommt einer und droht mit Kindern!«
    Plötzlich streckte er eine Hand aus und ergriff Peer am Fußgelenk; mit einem Ruck zog er ihn von der Verandatreppe. Peer landete mit einem dumpfen Schlag auf seinem Hintern. Sein erster Gedanke war, dem Klon den Zugriff zu seinem Körper zu entziehen, um sich vor weiteren Übergriffen zu schützen, aber dann hielt er inne. Er war nicht in Gefahr – und wenn sich sein Zwilling erst einmal an seinem Schöpfer abreagieren mußte, dann war das in Ordnung. Schließlich waren sie einander vollkommen ebenbürtig.
    Zwei Minuten später lag Peer mit dem Gesicht nach unten im Schlamm, die Arme auf den Rücken gedreht. Der Klon kniete über ihm – außer Atem, aber triumphierend.
    Peer sagte: »Na schön – du hast gewonnen. Jetzt laß mich los, sonst verdopple ich meine Größe und lege vierzig Kilogramm zu, und dann schlage ich zurück.«
    Der Klon sagte: »Weißt du, was wir tun sollten?«
    »Uns die Hände reichen und Adieu sagen!«
    »Eine Münze werfen.«
    »Wozu?«
    Der Klon lachte. »Was denkst du?«
    »Du hast gesagt, du würdest gerne gehen.«
    »Habe ich – aber müßtest du nicht ebenso glücklich sein? Ich sage, wir werfen eine Münze. Wenn ich gewinne, tauschen wir unsere Codenummern.«
    »Das ist illegal!«
    »Illegal!» Der Klon sprach voller Verachtung. »Nun hör sich einer diese Kopie aus der Solipsistennation an! Sie beruft sich auf die Gesetze der Welt! … Es ist doch so einfach. Die nötige Software ist da. Alles was du tun mußt ist zustimmen!«
    Das Sprechen fiel schwer; Peer spuckte Dreck, aber zwischen seinen Zähnen war noch irgendein Kern hängengeblieben, den er nicht los wurde. Er spürte ein eigenartiges Zögern, ihn »hinwegzumogeln« – ebenso wie den Klon auf seinem Rücken. Es war so lange her, daß er auch nur die kleinste Unannehmlichkeit hatte ertragen müssen, daß die neuen Erfahrungen die Unbequemlichkeit wettmachten.
    Er sagte: »Also einverstanden. Ich mache mit.«
    Und wenn er verlor? Was hatte er zu befürchten? Erst vor fünf Minuten hatte er unbedingt einen Klon haben müssen, war bereit gewesen, selbst der Klon zu sein, der dann

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