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Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Zentimeter breit, war fest und nahtlos an der Stelle um seinen Arm gelegt, an der die Nadel in der Vene verschwand. Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis er es geschafft hatte, mit einem Fingernagel unter den Gummi zu kommen – und als er es geschafft hatte, kam er auch nicht weiter. Die Manschette saß zu fest, um sie nach unten zu schieben, und zu elastisch, um sie einfach wie einen Hemdsärmel abzurollen. Wie nahm man das verdammte Ding denn überhaupt jemals ab? Er zerrte am Infusionsschlauch, der von der Manschette gehalten wurde, aber auch er gab nicht nach. Das andere Ende verschwand in der Pumpe.
    [Thomas begann sich zu fragen, ob die unbewegliche Nadel und die kafkaeske automatische Zimmeraufsicht Verdacht in dem Klon erwecken könnten – aber es schien, als wäre die Idee, ein zukünftiges Selbst könnte die Scan-Datei erneut aufgerufen haben und manipulieren, zu weit hergeholt, um während einer Krise wie dieser hier in seine Überlegungen einbezogen zu sein.]
    Er würde die Infusionspumpe mit sich schleppen müssen. Es wäre lästig – aber wenn er schon in sein Bettuch gehüllt durch das Gebäude marschieren müßte, um ein Terminal zu suchen, dann würde die Pumpe ihn kaum noch auffälliger machen können.
    Er fing an, die Elektroden von seiner Brust zu zerren, als ein Gefühl betäubender Wärme durch seinen rechten Arm schwemmte. Die Pumpe piepte zweimal, und er drehte den Kopf. Eine grüne LED leuchtete hell in der Mitte des Apparats. Das Licht war ihm vorher noch nicht aufgefallen.
    Eine Welle der Taubheit breitete sich von seiner Schulter her aus, bevor er reagieren konnte – den Schlauch abknicken? Er versuchte, sich aus dem Bett zu wälzen, aber er konnte nicht feststellen, ob sein Körper überhaupt auf irgendeine Weise reagierte.
    Seine Augenlider flatterten und schlossen sich. Er kämpfte gegen eine drohende Bewußtlosigkeit – und behielt schließlich die Oberhand. [Das Skript garantierte dem Klon ein paar klare Minuten – unabhängig von den echten pharmakologischen Wirkungen des sedierenden Opiates.]
    Der Computer würde sein EEG aufgezeichnet haben, und bald müßte jemand von der Tatsache alarmiert werden, daß er aufgewacht war … und sie würden feststellen, daß es ihre menschliche Pflicht war, ihn wieder zu sich kommen zu lassen.
    Aber eigentlich hätte schon in dem Augenblick, in dem er aufwachte, jemand alarmiert werden müssen.
    Auf einmal erschien es ihm viel wahrscheinlicher, daß sie ihn hier liegengelassen hatten, damit er starb.
    [Thomas fühlte sich krank. Das war sadistisch, wahnsinnig.
    Aber es war zu spät für zarte Gewissensbisse. Alles, was er beobachtete, hatte bereits stattgefunden.]
    Sein Körper war taub, aber sein Verstand arbeitete messerscharf. Ohne die dumpfe Ablenkung aus seinen Gedärmen schien seine Furcht klarer, eindrücklicher zu sein als alles, was er je gespürt hatte.
    Er versuchte, die bekannten tröstenden Wahrheiten auszugraben: Die Kopie würde überleben. Sie würde an seiner Stelle leben. Dieser Körper war von Anfang an dazu verdammt gewesen, eines Tages zu vergehen, und er hatte das schon vor langer Zeit akzeptiert. Der Tod war die irreversible Auflösung einer Persönlichkeit; das hier war nicht der Tod, es war nur eine Häutung. Es gab nichts, wovor er sich hätte fürchten müssen.
    Es sei denn, er hatte unrecht mit seiner Annahme über den Tod. Es sei denn, er hatte sich in allem getäuscht.
    Er lag wie betäubt in der Dunkelheit, sehnte sich nach Schlaf – und fürchtete ihn gleichzeitig. Er sehnte sich nach einer Ablenkung – und fürchtete, seine letzten wertvollen Minuten zu verschwenden, fürchtete, nicht genügend vorbereitet zu sein auf das, was folgte.
    Vorbereitet? Was konnte das schon bedeuten? Auslöschung erforderte keine Vorbereitung. Er würde keinen Gott von seinem Totenbett aus anflehen. Er hatte schon mit zwölf Jahren nicht mehr an Gott geglaubt. Er würde nicht siebzig Jahre der geistigen Freiheit und Gesundheit opfern, um zu einem kindischen Glauben zurückzukehren. Nähere dich dem himmlischen Königreich unschuldig wie ein Kind, oder man wird dich nicht hereinlassen? Diese Zeile, genau diese hier hatte ihm geholfen, sich von den plumpen Fesseln zu befreien; die Übersetzung war viel zu schlecht, zu offensichtlich (selbst für ein Kind): Dieser Mist beleidigt die Intelligenz jedes erwachsenen Menschen – aber entweder du schluckst es, oder du wirst für immer in der Hölle schmoren.
    Er hatte trotzdem Furcht. Die

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