Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cyber City

Cyber City

Titel: Cyber City Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
Vom Netzwerk:
ihn anzeigte? Seine Ärzte hatten ihn für zurechnungsfähig erklärt.
    Das schlimmste war, daß sie reglos zugesehen hatte, als er seine eigene Kopie abschaltete.
    Und doch, es gab noch eine Chance …
    Sie sprang auf die Füße und stürzte an das nächste Terminal. Dann klinkte sie sich in die SNV-Dateien des Projekts.
    Aber Durhams Scan-Datei war verschwunden, sorgfältig gelöscht, so irreversibel wie ihre eigene. Die Protokolle gaben keinen Hinweis darauf, daß die Dateien an einer anderen Stelle nochmals gespeichert waren. Wie ihre eigene Scan-Datei war auch seine ausdrücklich von der stündlich erfolgenden automatischen Sicherung durch SNV ausgeschlossen worden. Der einzige Ort, an dem die Daten reproduziert worden waren, befand sich innerhalb der Garten-Eden-Konfiguration selbst – und jede Spur dieser Struktur war eliminiert worden.
    Sie saß am Terminal und spielte die Dateien ab, die Durhams Kopie bei der Durchführung der Experimente zeigten, wie er die Gesetze jenes Universums erforschte, fröhlich voranstürmte … um was zu tun? Die unangekündigte, unerklärliche Vernichtung von allem zu betreiben, was er je gewesen war, während er die Grundlagen für seine neue Existenz legte?
    Und jetzt lag sein Körper im Badezimmer. Getötet von seiner eigenen Hand, nach seinen eigenen Gesetzen, ein Opfer seiner nahtlosen Logik.
    Maria verbarg ihr Gesicht in den Händen. Sie wollte glauben, daß die beiden Toten nicht die gleichen waren, sie wollte glauben, daß Durham die ganze Zeit über recht gehabt hatte. Was hatten die SNV-Rechner in Tokio und Seoul zur Kopie gesagt? Kein Experiment, das im TVC-Universum durchgeführt wurde, konnte je die Existenz dieser Maschinen beweisen oder widerlegen? Für Durham waren sie genauso bedeutungslos wie Francescas lächerlicher Gott. Der Keinen Unterschied Macht.
    Wie konnten sie ihn dann zerstört haben ? Wie konnte er tot sein ?
    Draußen waren schnelle, stampfende Schritte zu hören, dann ein Klopfen an der Tür. Maria ging aufmachen.
    Sie wollte es glauben, aber sie konnte nicht.
     

22
    (Vergib nicht den Mangel)
    Juni 2051
     
    Thomas bereitete sich darauf vor, Zeuge eines Todes zu werden.
    Der Fleisch-und-Blut-Riemann hatte Anna getötet, nicht die Kopie, der nur Riemanns Erinnerungen gehörten. Und der Fleisch-und-Blut-Riemann sollte die Gelegenheit haben, darüber nachzudenken, bevor er starb. Er sollte eine Gelegenheit erhalten, seine Schuld zu erkennen. Und seine Sterblichkeit. Und er sollte seinen Nachfolger von aller Schuld freisprechen.
    Man hatte das nicht zugelassen.
    Aber es war nicht zu spät, selbst jetzt noch nicht. Ein Softwareklon könnte die Aufgabe immer noch für ihn erledigen – im Glauben, aus Fleisch und Blut zu sein. Aufdecken, was das sterbliche, menschliche Selbst getan hatte – schon allein, weil es wußte, daß es sterben würde.
    Thomas hatte ein geeignetes Bild in einem Photoalbum gefunden – alte, auf chemischem Weg hergestellte Abzüge, die er, kurz nachdem seine Krankheit in das letzte Stadium getreten war, digitalisiert und gespeichert hatte. Weihnachten 1985: seine Mutter, sein Vater, Karin und er selbst, vor dem Haus der Familie versammelt und von der tiefstehenden Wintersonne geblendet. Karin war freundlich und scheu gewesen, sie starb kurz vor der Jahrhundertwende an Lymphdrüsenkrebs. Seine Eltern waren beide über neunzig geworden, hatten jedes Anzeichen von Unsterblichkeit gezeigt, durch schiere Willenskraft – aber schließlich waren sie doch gestorben, bevor die Scantechnologie ausreichend perfektioniert worden war. Thomas hatte ihnen vorgeschlagen, sich kryogenisch konservieren zu lassen, aber sie hatten nur verächtlich gelächelt. Sein Vater hatte erklärt: »Ich habe nicht die Absicht, mit mir das gleiche machen zu lassen, was die neureichen Amerikaner mit ihren Haustieren anstellen.« Der junge Mann auf der Photographie hatte keine Ähnlichkeit mit der Vorstellung, die Thomas mit geschlossenen Augen von sich selbst heraufbeschworen hatte – aber der Ausdruck auf diesem Gesicht, festgefroren im Übergang zwischen gehetzt und selbstgefällig, daran konnte er sich vage erinnern. Halb ängstlich, daß die Kamera sein Geheimnis enthüllen würde, halb voll leichtsinnigen Mutes, das Bild trotzdem zu machen.
    Thomas hatte Kopien von seiner Sterbebett-Scandatei aufbewahrt. Sie waren irgendwo in gesicherten Gewölben in Genf und in New York gespeichert, nicht in Betrieb, und sie dienten keinem besonderen Zweck außer der

Weitere Kostenlose Bücher